Folia archeologica 31.

H. Kolba Judit: Vésett gótikus talpas keresztjeink

GOTISCHE STANDKREUZE 263 verloren gegangenen Fußes eine übliche Fußform der Zeit vorstellen müssen, vielleicht einen in Sechspaßform. Nahe Parallele unseres Kruzifixes sind auf­grund seiner Dimensionen zwei Standkreuze des Ungarischen Nationalmu­seums aus der Umgebung von Poprád (Abb. 11 — 12), welche auch aus tech­nischer Hinsicht zweifellos zu demselben Kreis gehören. Sie sind gleichfalls mit den Symbolen der Evangelisten und Marienbild verziert, auch die Holz­faserung ist darauf zu finden. In derselben Gegend — vielleicht auch in derselben Werkstätte — sind wahrscheinlich das Standkreuz von Szepesszombat, wie auch die Kruzifixe der Kirchen von Bussóc, Körtvélyes und Strázsa entstanden. Aufgrund ihres Dekors, ihrer formalen und ikonografischen Entsprechungen mußten sie nach einem identischen Vorbild verfertigt worden sein. Sehr ähnlich sind einige Kreuze aus Südpolen, d.h. von einem benach­barten Gebiet, nämlich zwei Exemplare aus Krakau und eins von unbekanntem Aufbewahrungsort; alle sind von einer Höhe um 15 cm und haben ähnliche Verzierungen. Es gibt aber auch reichliche Parallele in Mitteleuropa: das Kreuz des Historischen Muzeums von Basel, jene der Pfarrkirche von Offen­burg, der Kirche von Waldsee, des Kölner Schnüttgen-Museums und der Kirche von Altena gehören alle zu diesem Kreise. Dieser Typ der Standkreuze wurde also in Mittel-Europa verfertigt, bei uns entstanden sie in den Werk­stätten Oberungarns. Um die Zeit der Verfertigung des Kreuzes besaß die Familie Nyári noch keine Güter in Oberungarn, ihre dortigen Besitzungen wurden erst etwa 50 Jahre später erworben. So ist es anzunehmen, daß das Kreuz durch familiäre Verbindungen, als Heiratsgut in den Besitz der Familie Nyári gekommen war, welche dieses schöne Monument der ungarischen Kunst seitdem aufbewahrt hatte.

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