Folia archeologica 13.

A. T. Németh: Das älteste Typarium der philosophischen Fakultät der Wiener Universität

134 A. T. Németh daß die Tonsur zu sehen ist. Der Lehrer der weltlichen Wissenschaften ist mit dem charakteristischen langen Talar und dem Kragenmantel angetan. Zu Füßen der Lehrer sitzen auf niedrigen Schemeln je drei Hörer in ganzer Figur. Alle drei beugen sich über ein Buch, das die mittlere Figur hält und bilden auf diese Weise — im Gegensatz zu dem Bild des ersten Siegels — von den Lehrern beinahe völlig unabhängige Gruppen. Dadurch aber, daß ihre Köpfe in dergleichen Ebene angeordnet sind und der zur Verfügung stehende Raum von ihnen gänzlich ausgefüllt ist, scheint sie der Künstler gleichsam als Sockel für die Lehrergestalten verwendet zu haben. In den bereits ver­gröberten Nischen zu beiden Seiten stehen die Heiligen Petrus und Paulus. Die Inschrift zwischen den Perlstäben in gotischen Minuskeln lautet: -}-s[igil­lum] • doctorum • et • magistrorum • universitatis • studii • wiennensis. Dieses neuere Siegel ist, wie wir bereits erwähnten, dem alten ikonographischen Schema treu geblieben. In seinem Stil spiegeln sich jene Veränderungen, die sich binnen jener wenigen Jahrzehnte, die zwischen den Entstehungszeiten der beiden Siegel liegen, im gotischen Stil vollzogen hatten. Die viel minuziösere Ausgestaltung der architektonischen Elemente, die dennoch das Gesamtbild beherrschen, ist eines der charakteristischen Merkmale der Siegelkunst jener Zeit. An diese beiden ersten Großsiegel der Universität Wien knüpft ikono­graphisch das Typarium der Fakultät für Philosophie und Kunst an. Die philosophische Fakultät wurde gleichzeitig mit der Gründung der Universität ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe bestand in der Unterweisung der sieben freien Künste. Dieser Aufgabe war sie gleich von Anfang an in beispielge­bender Weise nachgekommen, denn den Urkunden gemäß war sie die meist besuchte der drei Fakultäten. Einen besonderes großen Aufschwung erfuhrt die Tätigkeit der Fakultät in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts, als mit dem siegreichen Vordringen des Humanismus auch im Universitätsunter­richt ein frischerer, freierer Geist zu wehen begann. 2 5 Strenge Vorschriften regelten die Art und Weise der Verwahrung und der Verwendung des Typariums und über die Höhe der bei seiner Benützung zu entrichtenden Geldsumme. 2 6 Betrachten wir uns nun dieses Siegel etwas näher auf das sich diese strengen Regeln bezogen. Von den alten Siegeln der Universität ist unter anderen auch das Pet­schaft dieses Siegels erhalten. Das in der Typariensammlung des Ungarischen Nationalmuseums —Historischen Museums bewahrte Stück hat einen Durch­messer von 5,8 cm und ist aus Silber. (Taf. XXIV.) Auf der Rückseite der kreisrunden Siegelplatte hält eine Rippe den in einem Gelenk beweglichen halbkreisförmigen Griff. Die Bildfläche der Vorderseite ist zur Gänze von der Darstellung der Unterrichtsszene ausgefüllt. Kompositioneil ist freilich auch diese Szene in zwei Teile geteilt. Die rechte Siegelseite wird von der Figur des Professors mit allem charakteristischen Zubehör seiner Würde eingenommen, während die linke der Gruppe der Hörer gehört. Das ganze spielt unter einem fünfbogigen, mit gotischen Giebeln, Fialen und Krabben reich dekorier­ten Baldachin. Auf einer, bereits zu einem wahren architektonischen Gebilde 2 6 Aschbach, ]., op. cit. I. 339—356.; Die Universität Wien. 52. 2 4 Sava, К., op. cit. 3.; Grit^ner, E., op. cit. 48.

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