Folia archeologica 11.

Éri István: Gótikus agyagnegatívok a nagyvázsonyi Kinizsi-várból

150 I. Éri bewahrten (von Bode und Vollbach veröffentlichten) Formmodeln ist unseres Wissens nach dieser der erste authentische Fund, der nicht in der Heimat der Verfertiger, also in Deutschland, geborgen wurde. Ausser dem vorliegen­den ist in Ungarn noch ein Formmodel bekannt. Das im Kuntsgewerbemuseum befindliche, bisher unpubliziert gebliebene Stück kam aber aus dem Besitz eines Kunstsammlers an seinen heutigen Bewahrungsort. Der Autor hält das in Nagyvázsony gefundene Bruchstück unbedingt für das Werk eines mittelrheinischen Formschneiders. Dagegen unterscheidet es sich von den übrigen Werken ähnlicher Art einerseits durch die lateinische Fassung des an ihm angebrachten biblischen Textes (im Gegensatz zu dem allgemein üblichen mittelhochdeutschen Dialekt), anderenseits durch die Seltenheit der dargestellten Szene. Die Darstellung von Szenen der Versuchung Christi hat in der christlichen Ikonographie keine grosse Verbreitung gefunden und unter Formmodeln mit biblischen Themen kennen wir solche bis auf unser Fundstück überhaupt nicht. Eben aus diesem Grund, weil keine Vorbilder vorhanden sind, dürfen wir letzteres als eine originelle Kunstschöpfung ansehen, und zugleich als ein sprechendes Beispiel für die gegenseitige Beeinflussung, die zwischen den bildenden Künstlern und den Herstellern der für Vervielfältigung be­stimmten Gewerbeartikelprodukte schon von jeher bestand. Auf die Frage, wie der Formmodel nach Nagyvázsony gelangt sein dürfte, hält der Autor zwei Hypothesen für möglich. Es ist nicht ausgeschlossenen, dass er von einem Handwerker verwendet wurde, der in unmittelbarer Nähe des Feldherrn und dortigen Burgherrn, Paul Kinizsi, arbeitete; er konnte auch den Mönchen des Paulanerklosters gehört haben, das in Vázsony im Jahre 1483 ebenfalls von Kinizsi gegründet wurde. Für die letztere Annahme scheint auch der Umstand zu sprechen, dass das Kloster einst Wallfahrtsort war. Das zweite Tonnegativ dürfte allem Anschein nach an Ort und Stelle verfertigt worden sein und dient als Beweis dafür, in welchem Masse die Ver­wendung der Formmodel Verbreitung gefunden hat. Beide Exemplare dürf­ten in Nagyvázsony während der letzteren Jahrzehnte des XV. Jahrhunderts in Gebrauch gewesen sein.

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