Evangélikus Élet, 2011. január-június (76. évfolyam, 1-26. szám)

2011-04-24 / 17. szám

Evangélikus Élet NÉMET OLDAL 2011. április 24. » 7 D P u t s c h s „o,“: Die Außenperspektive liegt mir mehr als die „Nabelschau“ Dekan Blechschmidt über seine Zeit als Seelsorger in Kenia ^ Jürgen Blechschmidt hat Kir­chengrenzen überwunden. Eine wichtige Station seines bisheri­gen Dienstes, die ihn die welt­weite Kirche Jesu Christi näher erfahren und konkret werden ließ, waren seine Jahre in Kenia. Im Januar 1988 wurde er ordi­niert und entsendet. Darauf folgte sein Dienst als Gemeinde­pfarrer in Malindi - mit sechs Außenstellen in den umliegen­den Dörfern - bis Juli 1993. An­schließend war er als „Schatz­meister“ der „Kenia Evangelical Lutheran Church“ für die Finan­zen, die Personalverwaltung und Projekte der kenianischen Kir­che zuständig, ehe er mit seiner Familie im Dezember 1995 nach Deutschland zurückkehrte. Für unsere Zeitung blickt Jürgen Blechschmidt - heute ist er De­kan im unterfränkischen Rüg­heim - auf seine Zeit in Afrika zurück und zieht Bilanz. Nach dem Vikariat gingen Sie als Gemeindepfarrer nach Malindi in Kenia. Wie kam es, dass Sie in jun­gen fahren „das Weite“suchten? Ich stamme aus der Theologen­generation, in der der sog. „konzi­­liare Prozess“ (Frieden, Gerechtig­keit, Bewahrung der Schöpfung) entstanden ist. Wir haben gegen die Stationierung der „cruise missile“­­und „pershing II“-Raketen demon­striert, waren in der Menschenket­te zwischen Stuttgart und Ulm, ha­ben uns in Wackersdorf von den Wasserwerfern und dem SEK um den Bauzaun der atomaren Wieder­aufbereitungsanlage jagen lassen, haben auf das Apartheid-Regime in Südafrika aufmerksam gemacht und für Brot für die Welt gesammelt. Ir­gendwann kam dann der Entschluss, „Nägel mit Köpfen“ zu machen und in ein Entwicklungsland zu gehen, dort zu leben und zu arbeiten. Über das Missionswerk in Neuendettel­­sau war dies möglich. Kenia haben wir uns nicht direkt ausgesucht. Unser Wunsch war Afrika. In Kenia war die Missionarsstelle gerade frei, als wir angefragt haben. Mit „wir“ meine ich meine Frau und mich, die Kinder waren damals noch klein: Mein Sohn war bei der Ausreise et­wa ein Jahr, meine Tochter zweiein­halb Jahre alt. Wie bereiteten Sie sich auf Ihren Dienst in Kenia vor? Die Vorbereitung auf den Dienst geschieht durch das Missionswerk: Ein Orientierungskurs in Neuen­dettelsau, ein Englisch-Sprachkurs in England - in Scarborough - und ein Sprach- und Orientierungskurs in Morogoro in Tansania. Außerdem gab es Gespräche mit dem deutschen Vorgänger und den Kollegen, die bereits in Kenia Dienst taten. Wie lebt es sich als deutscher Ge­meindepfarrer in Kenia? Vermut­lich kommt man den Menschen nah, doch wird nicht ganz Teil der kenia­nischen Gesellschaft... Ich habe relativ schnell die Spra­che - Kiswahili - gelernt und da­durch schnell guten Kontakt zur Gemeinde bekommen. Seelsorge­gespräche gab es am Anfang keine, nur Gespräche übers Geld - Hilfe­suchende mit mehr oder weniger ernsten Gründen. Das hat sich erst nach etwa drei Jahren geändert. Ob­wohl mir „meine“ Gemeindeglieder oft gesagt haben: „Du bist einer von uns“, war das eher ein Wunsch als Realität. Ich denke, ich war einigen Menschen wirklich sehr nahe, aber Teil der Kultur wurde ich nie. Die Unterschiede zwischen „erster“ und „dritter" Welt sind doch sehr groß. Das Problem, das ständig präsent war, war die unbeschreibliche Armut direkt vor der Haustüre, Menschen die sich keine Schulbildung und kei­ne medizinische Versorgung leisten können, die an Krankheiten leiden und sterben, die bei uns einfach und unkompliziert behandelt werden könnten. Und man kann nie allen helfen, immer nur manchen. Nach welchen Kriterien „wählt man aus“? Ein Hauptkriterium hat sich ein­fach so ergeben - fast schon biblisch: Es waren Menschen, für die ich in ir­gendeiner Form - als Vorgesetzter, Arbeitgeber, Gemeindepfarrer - ver­antwortlich war oder denen ich ir­gendwie begegnet bin, etwa bei Be­suchen, durch die Familien der An­gestellten, am Rand von Gottes­diensten oder anderen kirchlichen Veranstaltungen, usw. Also eigentlich die „Nächsten", die uns im Leben „in den Weg gestellt werden". Die Unterschiede im Kulturellen und in der Mentalität sind sicherlich enorm zwischen Bayern und Kenia. Woran konnten Sie sich schnell ge­wöhnen? Und was blieb Ihnen die ganze Zeit über fremd? An die Musik (Trommeln), an die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen, an das Essen, die Art zu feiern - auch Gottesdienste -, an die wunderschöne Landschaft, an die Äquatornähe (Tag und Nacht unge­fähr gleich lang) und an das Klima haben wir uns schnell gewöhnt - und vermissen es immer noch. Mit der übermächtigen Korrupti­on auf allen Ebenen, mit dem Stellen­wert der Frau als „Besitz“ der Väter oder Ehemänner in den meisten ke­nianischen Volksgruppen, mit dem diktatorischen politischen System, mit der „Dritte Welt"- Situation, mit den Mosquitos, der Malaria, der Bilharziose und der hohen Kri­minalitätsrate in Nairobi haben wir uns bis zum Schluss schwer getan. Welche Möglichkeiten und Chan­cen tun sich auf, wenn gerade ein Pfarrer aus Deutschland eine kenia­nische Gemeinde betreut? Inhaltlich kann man die Außenper­spektive einbringen - genau wie um­gekehrt später in Deutschland. Was die Kenianer selbst schätzen: Man ist reich genug, um sich nicht bestechen lassen zu müssen und man gehört keinem Clan, keiner Großfamilie an, der man verpflichtet wäre und des­halb in seinen Entscheidungen ab­hängig wäre. Die Gestaltungsmög­lichkeiten sind größer als bei uns, weil die Wege kürzer und die Strukturen in einer noch relativ jungen Kirche noch nicht so gefestigt sind. Was haben Ihnen die Menschen in Kenia gegeben? Welche „Schätze“ konnten Sie aus Ihrer Zeit in Malin­di und Nairobi mitnehmen? Was wir „mitgenommen“ haben, sind die Gastfreundschaft, den Ge­meinschaftssinn, die Neugierde und Offenheit für Neues, die Aufge­schlossenheit „fremden" Menschen gegenüber und die rhythmische Musik. Manche Pfarrer, die nach langem Dienst im fernen Ausland in die heimatliche Landeskirche zurück­kehren, berichten, dass das Wieder­einfinden nicht immer leicht ist. Wie ging es Ihnen ? Und wie ging es Ihrer Familie? Das Wiedereinfinden war schwie­riger als die Ausreise. Wir haben in Kenia so viele verschiedene Kulturen, Sprachen und Bräuche - arabische, indische, kenianische, englische, ita­lienische - kennen und schätzen gelernt und sind dann nach Franken zurückgekommen, wo fast jeder fränkisch denkt, fränkisch wohnt, fränkisch isst und fränkisch spricht. Ich vergleiche das immer so: Nach acht Jahren Farbfernseher muss man wieder auf „schwarz-weiß“ umstel­len. Für mich war es schlimmer als für meine Frau und die Kinder. Mei­ne Frau war froh, wieder näher an der Familie und den früheren Freun­den zu sein. Und die Kinder waren mit 9 bzw. 1014 Jahren in einem Al­ter, in dem man schnell Anschluss findet. Wie profitieren Sie heute als Dekan - rund 15 Jahre nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland - von Ihrer Zeit in Afrika? Mein Bild von Kirche ist davon sehr stark geprägt: Die Kirche Jesu Christi ist international und welt­weit. Der Blick über den Kirch­turm fällt mir nicht nur leicht, son­dern es ist eher umgekehrt: Die Außenperspektive liegt mir mehr als die „Nabelschau“. Der Horizont ist weiter geworden. Vieles, was ich tue bzw. was geschieht, steht in einem größeren Zusammenhang, in dem dann bestimmte örtliche Wertigkei­ten und Animositäten nicht mehr ganz so wichtig genommen werden müssen. Außerdem sehe ich auf dem Hin­tergrund der Risiken und Schwierig­keiten in acht Jahren Afrika manches scheinbar „große“ Problem hier bei uns gelassener und kann weniger auf­geregt damit umgehen. Ich nehme an, Sie pflegen nach wie vor gute Kontakte nach Afrika ... ? Ja, regelmäßige. Aber ob sie „gut“ sind? Es gehört zur ostafrikanischen Kultur, lieber zu reden als zu schrei­ben. Deswegen kommen E-Mails nur spärlich und nur mit einem konkreten Anlass. Und die Stim­mungen nimmt man auch kaum wahr. Und Besuche mit persönlichen Begegnungen sind selten. ■ Holger Manke Kopf hoch! „Kopf hoch!“ - So hieß es auf einer Spruchkarte, die ich neulich in die Finger bekommen habe. Und weiter stand auf der Karte: „Nacht folgt nicht auf Nacht - dazwischen ist der Tag. Berg folgt nicht auf Berg - da­zwischen ist das Tal. Ebbe folgt nicht auf Ebbe - dazwischen ist die Flut.“ Es geht hier um die Rhythmen des Lebens, die Gott seiner Schöpfung und offenbar auch unserem persön­lichen Leben auferlegt hat. Manch­mal sind wir oben auf und es geht uns gut. Wir freuen uns am Leben, ge­nießen und nichts kann uns aus der Bahn werfen. Und manchmal ist es anders herum: da liegen wir am Bo­den und es geht uns schlecht. Alles wird uns zu viel und wir hadern mit Gott. Es ist wichtig, auch die schlechten Zeiten im Leben anzunehmen und sie als wertvolle Bestandteile des ei­genen Lebens zu erkennen. Gott mutet sie uns zu, damit wir daran rei­fen in unserem Glauben und in un­serer Persönlichkeit. Ebbe und Flut, Tag und Nacht strukturieren die Zeit — auch meine Lebenszeit und machen sie unverwechselbar und einmalig. Diesen Rhythmus des Lebens er­fahren wir im Frühjahr in den The­men des Kirchenjahres. Heuer rela­tiv spät bis weit in den April hinein begehen wir die Passionszeit. Sie dient der „Entschlackung“ für Kör­per und Seele. Viele evangelische Christen in Deutschland machen in dieser Zeit bei der Fastenaktion „7 Wochen ohne“ mit und lernen dabei, dass das Verzichten stark machen kann. Sie besinnen sich anhand eines Schwerpunktthemas auf wichtige Fragen des Lebens. In diesem Jahr geht es unter dem Motto „Ich war’s!" um das Schuldigwerden und das Eingestehen von Schuld. Angesichts der Plagiatsvorwürfe gegen einen deutschen Bundesminister und des­sen Umgang damit ist das zu einem brisanten öffentlichen Thema in Deutschland geworden. Auf die Passionszeit, die mit der Karwoche endet, folgt das Osterfest und die österliche Freudenzeit. Wir freuen uns am Sieg Gottes über den Tod. Wir freuen uns an der Auferste­hung Jesu und - im Erfahrungs­raum der Jahreszeiten - an dem Wiedererwachen der Natur im Früh­ling. Jetzt ist eine Zeit des Feierns. Jetzt dürfen wir das Leben genießen, das Gott uns in seiner großen Güte geschenkt hat. Wir dürfen den Kopf hoch halten, weil Gott uns wert­schätzt und uns Anteil gibt an der Fülle des Lebens. Beides gehört im Kirchenjahr - wie im Leben überhaupt - zusam­men: Passion und Ostern, Nacht und Tag, Besinnung und Feier. In die­sen Rhythmus des Lebens ist unser eigenes Leben eingebunden. Gott schult damit unseren Glauben, damit wir mit erhobenem Haupt durch unser Leben gehen können. ■ Bernd Grosser Pfarrer in der evang.-luth. Kirchengemeinde Ebern

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