Evangélikus Élet, 2010. január-június (75. évfolyam, 1-26. szám)
2010-05-23 / 21. szám
io 'll 2010. május 23. NÉMET OLDAL Evangélikus Élet Zum Geleit Am Pfingstfest feiern wir den Geburtstag der einen christlichen Kirche, das Fest des einen Heiligen Geistes. Zu Pfingsten blicken wir nicht nur auf die Ursprünge der Kirche zurück, sondern wissen uns auch in besonderer Weise mit der Christenheit weltweit verbunden. Die „weltweite Christenheit“ ist ein schöner Ausdruck, der einem bisweilen leicht über die Lippen kommt. Doch zu oft bleibt allzu schemenhaft, wie sich christliches - gerne auch ganz konkret: lutherisches - Leben in vielen tausend Kilometern Entfernung gestaltet. In welchem sozialen, politischen, gesellschaftlichen Klima wird im Jahr 2010 das Pfingstfest gefeiert? Und welche Freuden und Sorgen haben unsere Schwestern und Brüder im Herrn, die weit entfernt leben? Pfingsten bedeutet für mich auch, den Blick aus den heimischen internen Lebenskontexten zu erheben, den Horizont zu .weiten und in die Ferne zu blicken. Zu einem solchen pfingstlichen Weitblick möchte ich Sie, liebe Leser, einladen. Probst Manfred Brockmann aus dem russischen Wladiwostok und Pastor Georg Scriba aus dem südafrikanischen Pietermaritzburg gewähren uns einen Einblick in das Pfingstfest vor dem Lokalkolorit ihrer Länder und Gemeinden. Beiden gilt mein und unser herzlichster Dank! Ein gesegnetes Pfingstfest in Südafrika, Russland, Ungarn - und überall auf der Welt! ■ Holger Manke Pfingsten in Wladiwostok Insel der Menschlichkeit im alltäglichen Kampf Liebe Brüder und Schwestern in Ungarn! Was Pfingsten ist, das wisst Ihr. Aber wisst Ihr auch, wo Wladiwostok liegt? Das wissen vielleicht nur Eisenbahnfans: Wladiwostok ist die Endstation der Transsibirischen Magistrale, der wohl größten Eisenbahnlinie der Welt. Die Stadt ist ein Hafen am Japanischen Meer, also am Pazifik, wunderschön auf Bergen und an Fjorden gelegen. Sie wurde i860 gegründet unter maßgeblicher Beteiligung von Lutheranern, die hier als Gouverneure, Admirale, Kaufleute, Ärzte, Lehrer und Forscher das Gesicht der Stadt sehr geprägt haben. Deshalb ist auch die lutherische Pauluskirche die älteste Kirche von Wladiwostok. Das alles ging mit dem ersten Weltkrieg und der russischen Revolution zu Ende. Der letzte Pastor, Woldemar Reichwald, wurde 1935 deportiert und verschwand, die Pauluskirche wurde Matrosenklub, dann Kino und schließlich Museum der russischen Pazifikkriegsflotte. Das war sie auch noch, als ich im Mai 1992 hierherkam und die Gemeinde neu gründete. Erst am 16. September 1997 bekamen wir die Kirche zurück. Was aber hat das alles mit Pfingsten zu tun? Nun, Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche: die Ausgießung des Heiligen. Geistes, von der wir im Predigttext zu Pfingsten lesen, führte Menschen aus verschiedenen Völkern und Sprachen unter der Predigt des.Petrus zusammen. Seitdem gibt es durch alle verschiedenen Völker und Sprachen hindurch die eine heilige christliche Kirche. Als ich Mai 1992 hierherkam, waren wir auch alle sehr verschiedene, ja vereinzelte Menschen, sogar mit verschiedenen Sprachen - Russland ist ja immer ein Vielvölkerstaat gewesen -, und zusammengefunden hatten wir noch längst nicht. Aber da stand die Kirche mitten in der Stadt - und da war ein Bewusstsein: hier gab es einmal eine lutherische Gemeinde. Und da war ein Pastor aus Deutschland gekommen, der hier arbeiten wollte. Das alles brachte doch etwa 50 Menschen dazu, sich am Sonntag Exaudi, 31. Mai 1992, vor der Pauluskirche zu versammeln und dort mit mir einen Gottesdienst zu feiern. Und seitdem existiert die Paulusgemeinde wieder. Freilich, das ist nun nicht der Geburtstag der christlichen Kirche, das ist aber der Geburtstag unserer Gemeinde, ihre Wiedergeburt nach 57 Jahren Todesschlaf: Wir feiern unseren Geburtstag jedes Jahr am Sonntag Exaudi, und einen Sonntag später feiern wir den Geburtstag der weltweiten christlichen Kirche, denn Exaudi ist ja der letzte Sonntag vor Pfingsten. Den Geburtstag unserer Gemeinde feiern wir in unserer Pauluskirche, aber zum Geburtstag der Kirche Jesu Christi gehen wir jedes Jahr ans offene Meer, an den Pazifik und feiern dort. Was bewegt uns denn zu Pfingsten? Gerade eine Woche zuvor haben wir den Geburtstag unserer Gemeinde gefeiert. Wir haben uns wieder das Photo der 50 Menschen angeschaut, die sich am Sonntag Exaudi 1997 vor der Pauluskirche versammelt hatten, und wir müssen sagen: Keiner von ihnen ist mehr bei uns! Der und der ist gestorben, der ist sogar erschossén worden, der und der ist einfach verschwunden, die meisten aber sind einfach weggezogen, sogar ausgewandert, meist zurück nach Deutschland, von wo ihre Vorfahren vor mehr als 250 Jahren und noch viel früher in dieses Land kamen. Das ist ein Zeichen der schwierigen, unsicheren Lage in diesem Land. Das Leben ist hart. Die Menschen werden müde, sie sind überarbeitet, um sich den Standard leisten zu können, der überall propagiert wird, oder um einfach ihre Familien zu ernähren. Auf die Müdigkeit folgt Erschöpfung und Enttäuschung, und dann werden die Menschen einfach böse, sagt meine Frau. Unsere Kirche steht da mittendrin: Sie ist eine Insel der Menschlichkeit inmitten eines Meeres von hartem, alltäglichen Kampf da draußen. Das ist sie allein schon durch ihre Lage im Zentrum der Stadt. Oft kommen Menschen von der Straße herein und genießen einfach diesen schönen Raum. Schönheit hat in Russland einen Erlösungswert, weil man - wie Dostojewskij sagte - gerade in diesem Land so deutlich erfährt, wie schnell alles hässlich wird. In Russland ist der Mensch besonders nackt vor Gott. Das macht den Reiz der russischen Literatur aus, das zeigt auch Russlands religiöse Begabung, die aber auch leicht in Aberglauben und Sektiererei übergeht. Die lutherische Kirche hat da eine wichtige, geradezu „aufklärerische“ Mission. Mit unserer Bildungsarbeit, Sozialarbeit und Musik ziehen wir gerade Menschen an, die das eigene Denken lieben. Aber oft sind wir am Rande unserer Kräfte. Da bin ich froh über jeden, der in diesem Land der Begabung zur Depression nicht nur klagt, sondern steht und mit anpackt. Ja, wir brauchen Menschen, die fest stehen. Wir brauchen auch Geld. Wir brauchen vor allem Glauben. Aber dazu werden wir in diesem Land erzogen: entweder sich hängen lassen oder abhauen oder glauben und bleiben. Und das sind die Gedanken, die uns zu Pfingsten bewegen: Der Geist Gottes führt Menschen zusammen, und er gibt Mut. Keiner der Gründungsväter und -mütter von vor 18 Jahren ist mehr da, und doch lebt und wächst die Gemeinde. Und es gibt inzwischen viele Menschen, die feststehen und bleiben: Vor einiger Zeit habe ich eine treue alte Frau unsere Gemeinde beerdigt und danach ihre Enkelin konfirmiert und ihre Urenkelin getauft: vier Generationen in unserer doch noch jungen Gemeinde! Wenn das nicht ein Zeichen des Segens und der Wiedergeburt ist! Pfingsten - Geburtstag auch unserer Kirche und Gemeinde. ■ Manfred Brockmann Pastor an der Pauluskirche zu Wladiwostok, Propst des Russischen Fernen Ostens Pfingsten in Südafrika Das Fest der vielen Gaben Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von euch ein Glied. (1 Korinther 12, 4-6 und 26-27) len Gliedern. Jedes Glied ist vom anderen abhängig, sowohl in der Ehrerweisung wie im Leiden. Der Stolz über die Errungenschaften eines Gliedes wirkt sich auf den ganzen Leib aus, wie auch der Schmerz, wenn wieder ein Glied der heimtückischen HIV Erkrankung erlegen ist. Oben sind zwei Bilder abgedruckt (aus A. Prior & F. Lobinger, Developing Shared Ministry, Lumko 1983). In dem ersten (links) sehen wir, wie eine Vielzahl von Aktivitäten und Gaben besonders in unserem Land ausgeübt werden: Besuche am Krankenbett und im Gefängnis, gemeinsames Singen und Beten, und sogar Traktorfahren (ganz oben), dann Mauern, Singen, Lobpreisen, Lehren und Pflanzen (in der Mitte), bis hin zur Gemeinschaft und zum Gebet am Totenbett (ganz unten). Wir denken unwillkürlich an das, was wir den Allergeringsten der Geschwister des Pfingsten ist das Fest der Gaben und Begabungen, der Talente und Charismen. Das eigentliche Pfingstwunder ist es, dass einfache Männer und Frauen, wie etwa die Jünger Jesu, die einfache Fischer waren, nun plötzlich öffentlich Zeugnis ablegen, predigen und die Auferstehung ihres Herrn in vielen Sprachen verkündigen oder von Menschen in vielen Sprachen verstanden werden. Wir leben in Südafrika in einem Land mit elf offiziellen Sprachen, wobei mit Ausnahme des Englischen (und Afrikaansen), keine der vielen europäische Sprachen als solche anerkannt wird (auch nicht Deutsch). Unser Land ist aufgeteilt in viele Denominationen, Christengemeinschaften und unabhängige Kirchen. Die Zahl der „Afrikanischen Unabhängigen/Initiierten Kirchen“ wird in Südafrika alleine auf etwa 6.000 geschätzt. Die Menschen dieses Landes sind nicht nur eine Regenbogennation, wie der ehemalige anglikanische Erzbischof Desmond Tutu sie beschrieb, sondern sie haben auch täglich das Pfingstwunder des Miteinanders der verschiedenen Sprachen und Kulturen zum Verständnis nötig. In einer Zeit, in 3er Angst und Aggressionen, Kriminalität und Korruption, Stagnation und sinnloses Sterben an der Tagesunordnung sind, ist die pfingstliche Verheißung des Trösters und Friedensbringers von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört das von Paulus belegte Bild von dem Leib mit seinen vie-Herren antun oder nicht erweisen (Matthäus 25,31-46). Im zweiten Bild (rechts) werden diese Gaben und Aktionen behauptet von dem einen, Christus, und sind umrahmt von seinem Leib. Mit Pfingsten gibt es verschiedene Gaben, Ämter und Kräfte aber es ist der eine Leib des dreieinigen Gottes, Gott Vater, Sohn und Geist. Er ist nicht abgegrenzt, denn dieser Leib erscheint uns im Glauben und in der Hoffnung verbreitet über die ganze Welt. Und so sei uns hier in Südafrika und dort im Osten Europas ein gesegnetes Pfingsten geschenkt, ein Fest der vielen Gaben in der Gemeinschaft und zum Nutzen aller. Gebet: O komm, du Geist der Gaben und lass uns diese zum Aufbau deiner Kirche in der ganzen Welt erleben, erfahren und weitergeben. Amen. ■ Georg Scriba Pastor in Pietermaritzburg