Evangélikus Élet, 2010. január-június (75. évfolyam, 1-26. szám)

2010-04-04 / 14. szám

Evangélikus Élet NÉMET OLDAL ' 0tOz 8 D (5w ts c P i(5 ho Blick in das Morgen Ein Gruß aus Italien Liebe Schwestern und Brüder in Un­garn, ich grüße Sie herzlich aus Italien mit dem Monatsspruch für den Ostermonat aus Epheser 1,18: „Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu wel­cher Hoffnung ihr von ihm berufen seid.“ Zu Ostern geht unser Blick in die zukünftige Welt. Voraus, nach vorn, in das Morgen. Es ist eine Welt, die schon heute aufstrahlt und in der wir die leidvol­len Tage und die grauen Nächte unseres Seins überwunden sehen können. Manchmal sehen unsere Augen auf Dinge, die wenig Hoff­nung in uns wecken. Ereignisse, die den Blick auf Morgen, auf ein „Da­nach“ geradezu unmöglich machen. Unheil und Leid, das uns widerfährt oder um uns herum geschieht. Die Sorgen, die uns gefangen nehmen, die Probleme, die sich uns in den Weg stellen. Dann ist unsere Seele wie blind und sie welkt in Traurig­keit und Selbstmitleid dahin. „Er­leuchtete Augen des Herzens“ zu ha­ben, das bedeutet einen Wechsel des Blickpunktes. Es ist sehr außerge­wöhnlich, dass die Augen erleuchtet werden und ein neues Licht auf die Dinge fällt. Aber plötzlich kehren Mut und Vertrauen in uns zurück, so wie die Sonne nach langen verreg­neten Tagen. Dieses neue Licht sen­det Gott mit der Auferstehung sei­nes Sohnes. schick auf einmal wichtig und berei­chernd für uns werden können. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn und die Evangelisch-Luthe­rische Kirche in Italien sind dabei, ei­ne Kirchenpartnerschaft zu grün­den. Nach vorbereitenden Besuchen von Bischof János Ittzés und Bischof Tamás Fabiny in Palermo (2008) und Rom (2009), und von Seiten der ita­lienischen Kirche durch Dekan Mil­kau im Mai 2009 in Budapest, soll nun bei den Synoden in Verona und in Bu­dapest der Partnerschaftsvertrag un­terzeichnet werden. Er sieht die Zu­sammenarbeit auf verschiedenen Ebenen vor und dokumentiert, dass die beiden lutherischen Minderhei­tenkirchen sich gegenseitig Unterstüt­zung und geistliche Begleitung zu­sprechen möchten. Ein Hoffnungszei­­chen. Ein Zeichen der Verbundenheit in Europa, das viele Jahre lang ein ge­teiltes Europa war. Nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch unter den Menschen. Da sind viele alte Wunden, die zu heilen begonnen haben. Menschen, für die wir auch gerufen sind, Hoff­nung zu wecken. Vielleicht kann das auch mit der Begründung einer neu­en Partnerschaft zwischen Kirchen geschehen. Ostern heißt Wach-Wer­den, Aufstehen, Auferstehen - und Schritte nach vorn gehen, damit mei­ne persönlichen Sorgen und die Sor­gen um die weite Welt neues Leben und neue Chancen finden. Wenn ich mein Leben mit den Erfahrungen Er möchte, dass wir nicht nur bei dem Alten stehen bleiben oder gar in Trauer versinken, weil vieles nicht mehr so ist, wie wir dachten. Sondern er möchte, dass wir unsere Kraft auf das Morgen konzentrieren. Neu wer­den. Aufstehen. Auferstehen. Solche Worte der Hoffnung sind wie eine Wegbeschreibung. Sie sind wie das Licht von Ostern, das auf unsere übermüdeten Augen fällt und zeigt: Der Weg Gottes mit den Menschen war nicht zu Ende. Er führt weiter, er führt hinauf; manchmal anders, als wir es dachten, aber zu einem Sinn. Über die Hoffnung hat Václav Havel einmal geschrieben: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht“. Der Sinn des Todes Jesu stellt sich mit den erleuchteten Augen des Her­zens nicht wie ein aussichtsloses Dra­ma, sondern wie ein erster, notwen­diger Schritt in eine neue Wirklichkeit dar. Er tut weh. Aber er hilft uns, für unser Leben Bedeutung und Aussicht zu gewinnen. Der Sinn von man­chem Leid, das wir persönlich oder allgemein erfahren, wird sich er­schließen, wir werden Luft holen und den nächsten Schritt gemeinsam wagen, mit dem Auferstandenen an der Seite. So nah ist uns die zukünftige Welt. Und so viel gibt es davon zu hören und zu singen. In den gemeinsamen Gottesdiensten zu Palmsonntag, Kar­freitag, Ostern. Und in den hoffent-Da gibt es wieder etwas zu erwar­ten. Hoffnung wird geweckt. Ein schöner Begriff, Hoffnung wecken. Es klingt wie Aufstehen aus einem unru­higen oder gequälten Schlaf. Aufwa­chen, weil man eine aufregende Rei­se vor sich hat. Eine Reise, um einer neuen Welt entgegenzugehen, die mit dem Auferstandenen wach ge­worden ist. Da sind vielleicht neue Be­gegnungen, die auf uns warten. Neue Menschen, deren Leben und Ge­anderer in Verbindung bringe, wird es reicher und klarer. Und es hilft mir, zu hören und zu sehen, wie die Men­schen in anderen Ländern ihren Glauben leben. Christus stiftet Verbin­dung unter den Zeugen seiner Aufer­stehung. Und in diesen Verbindungen liegt viel Kraft. Denn: zu Ostern geht unser Blick in die zukünftige Welt. Voraus, nach vorn, in das Morgen. Gott möchte, dass wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir berufen sind. lieh vielen und reichhaltigen Treffen, die sich aufgrund der neuen Kir­chenpartnerschaft ergeben werden. Wir freuen uns auf die Begegnun­gen mit Ihnen! So wünsche ich Ihnen, liebe Schwe­stern und Brüder in Ungarn, und uns allen ein frohes, an Hoffnung und Freude reiches Osterfest. ■ Ihr Holger Milkau Dekan der Evangelisch-Lutheri­schen Kirche in Italien Winnenden - ein Jahr danach Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden. Doch gegen manche tiefen Wunden kommt auch die Zeit nicht an. Sol­che Wunden hat der Amoklauf von Winnenden am ix. März 2009 in das Leben vieler Menschen gerissen. Damals war ein 17-Jähriger in seine ehemalige Schule eingedrungen, er­schoss dort neun Schüler und drei Lehrerinnen. Auf der Flucht durch Winnenden und Wendlingen tötete er drei weitere Menschen und schließlich sich selbst. Am tiefsten sind die Wunden, die den Angehörigen der Opfer sowie den Schülern und Lehrern der Al­bertville-Realschule, in der der Amoklauf begann, zugefügt wur­den. Was sie bis heute durchmachen, ist für Außenstehende kaum vorstell­bar. Ein Jahr danach befinden sich noch 60 bis 70 Betroffene in ambu­lanter Therapie, um das Geschehe­ne verarbeiten zu lernen. Ihre Wun­den werden nur langsam, vielleicht aber auch nie verheilen. Ebenso wird Winnenden auf lange Zeit den Stem­pel des Amoklaufs tragen, seit die 28.000-Einwohnerstadt nordöstlich von Stuttgart vergangenes Jahr in den Mittelpunkt des weltweit öffentlichen Interesses gerückt war. Es waren schier unwirkliche Sze­nen, die sich am 11. März 2009 und in den Tagen danach im beschauli­chen Winnenden abspielten; Sze­nen, wie man sie aus dem Fernsehen kennt, als Helikopter über der Stadt kreisten, sich ein Großaufgebot an Polizei und Journalisten um die Schule versammelte und sich Über­tragungswagen an Übertragungs­wagen reihte. Bereits ein paar Tage später aber waren die Übertragungs­wagen wieder abgefahren und die Mikros eingepackt. Was blieb war, außer der Trauer und dem Schmerz, die Frage nach dem Warum. Sie ist bis heute unbe­antwortet. Umso wichtiger ist es deshalb, das „Nie wieder“ energisch anzupacken. Die Politik hat Konse­quenzen aus dem Amoklauf gezogen und reagiert: Die Nutzung großka­libriger Waffen wurde von 14 auf 18 Jahre hochgesetzt, das Land Baden- Württemberg wird die Anzahl der Schulpsychologen verdoppeln, außerdem soll flächendeckend ein Gewaltpräventionsprogramm ein­geführt werden. Die Forderungen vieler Opfereltern nach einem Ver­bot von Killerspielen und von groß­kalibrigen Waffen in Privathaushal­ten wurden dagegen nicht erfüllt. Doch das „Nie wieder“ ist nicht nur Sache der Politik, sondern eines jeden. Eine seit dem Amoklauf im­mer wieder verlautete Forderung nimmt den Einzelnen in die Pflicht. Nämlich die nach Gemeinschaft, nach einem achtsameren Umgang miteinander, nach weniger Egoismus und mehr SelbsÜosigkeit. Bei der Ge­denkfeier zum ersten Jahrestag des Amoklaufs am 11. März sagte Bun­despräsident Horst Köhler: „Wir können alle lernen, gut miteinander umzugehen. Wir können darauf ach­ten, dass niemand abseits bleibt. Wir können mehr Anteil nehmen an­einander, statt achtlos vorüberzuge­hen. Wir können sogar jemanden an­­lächeln, den wir nicht gleich ins Herz schließen wollen. Oft reicht schon ein freundliches Wort, oft hellt schon ein kurzes Gespräch für den anderen den ganzen Tag auf. Al­le Menschen brauchen Zuwendung." Die Albertville-Realschule ver­sucht, diese Werte zu leben. „Ich ha­be einen Traum“ trugen die Schüler bei der zentralen Trauerfeier vergan­genes Jahr auf Pullovern und T­­Shirts geschrieben. Bei der diesjäh­rigen Gedenkfeier setzten sie mit dem Schriftzug „Ich lebe meinen Traum" das Zeichen, dass sie nicht nur von einer friedlichen Gesell­schaft träumen, sondern ihren ganz eigenen Beitrag dazu leisten wollen, dass dieser Traum Wirklichkeit wird. Der Appell Köhlers war im Grun­de nichts anderes als ein Aufruf zu mehr christlichen Werten. „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut ach­te einer den andern höher als sich selbst“, heißt es im Philipperbrief, Kap. 2, Vers 3. Jesus lehrte uns außer­dem, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Der achtsame, liebevol­le Umgang ist tief im Glauben an Gott verankert. Die Kirche soll der Ausdruck einer Gemeinschaft sein, in der sich jeder angenommen fühlt, weil eben jeder den anderen achtet. Am Abend des Amoklaufs und in den darauffolgenden Tagen waren die Kirchen bis auf den letzten Platz besetzt. Das war sicherlich auch ein Zeichen der Solidarität, doch es war noch viel mehr ein Ausdruck des Be­dürfnisses, nicht allein zu sein mit^ seinen Ängste und seiner Trauer. Dieses von der Kirche vermittelte Gefühl der Gemeinschaft muss nun aus ihr hinaus in den Alltag getragen werden. Bundespräsident Köhler forderte in seiner Ansprache auf, das Gefühl der Zu- und Zusam­mengehörigkeit in alle Bereiche des Lebens zu transportieren. In der Schule, den Vereinen oder der Fami­lie kann jeder seinen Teil zu einem gemeinschaftlichen Gefühl beitragen, dass sich keiner vernachlässigt fühlt, sich jeder geachtet sieht. Wenn jeder für sich eine Lehre aus dem Amok­lauf zieht, kann dem Tod der Opfer des Amoklaufs nachträglich und nachhaltend ein Sinn verliehen wer­den. Letztlich ist es nicht die Zeit, sondern sind es die Menschen, die dabei helfen können, die durch den Amoklauf verursachten Wunden zu­mindest ein wenig zu schließen. ■ Renée Ricarda Billau Journalistin

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