Evangélikus Élet, 2008 (73. évfolyam, 1-52. szám)

2008-11-02 / 44. szám

‘Evangélikus ÉletS NEMET OLDAL 2008. november 2. mm/fmmmw Redakteur: Holger Mánké Bleibende Eindrücke Dr. Ludwig Markert über die Frühgeschichte der Bayern-Partnerschaft ► Vor einem Vierteljahrhun­dert entstand die Partner­schaft zwischen der Buda- pester Burggemeinde und Nürnberg-St. Sebald, die im weiten Geflecht der lu­therischen bayerisch-un­garischen Verbindungen die älteste gemeindliche Brücke zwischen beiden Kirchen darstellt. Dr. Lud­wig Marken, Gründervater jener Verbindung und heu­te Präsident des Diakoni- schen Werkes Bayern, blickt zurück. keiten lebten, teilhaben zu kön­nen an den Problemen dort, gleichzeitig aber auch teilhaben zu können an dieser Fröhlich­keit, an dieser Zuversicht, an der ungarischen Freundlichkeit und Herzlichkeit, die einfach über­springt, war für mich ein ganz wichtiges Erlebnis. Dorf bei Budapest in einer ganz anders geprägten reformierten Gemeinde. Und schließlich konnten wir auch an der Vollver­sammlung des Lutherischen Weltbundes teilnehmen. Es war einerseits eine große Aufbruch­stimmung in Ungarn, die im po­litischen und im gesellschaftli­- Sie waren von 1975 bis 1986 drit­ter Pfarrer an St. Sebald und Leiter der Evangelischen Stadtakademie. In die­ser Zeit gründeten Sie die „Ökumeni­schen Tage“. Was war das? Und wie kamen Sie auf diese Idee?- Mir kam es sehr darauf an, den ökumenisch-internationa­len Aspekt in die Kirchenge­meinden hineinzubringen. Des­halb habe ich regelmäßig Öku­menische Tage mit Gästen aus abwechselnd westeuropäischen und osteuropäischen Ländern veranstaltet - und zwar in West­europa vor allem zu Ländern, wo lutherische Christen in der Dia­spora leben wie zum Beispiel in den Niederlanden oder in Spani­en, in Richtung Osteuropa bei­spielsweise nach Ungarn. Mein Anliegen war, dass die Gäste je­weils in einer Kirchengemeinde wohnen und am gemeindlichen Leben teilnehmen, sodass eine Brücke geschlagen wird von der Kirchengemeinde, aus der der Gast kommt, hierher in die Kir­chengemeinde, wo er zu Gast ist.- Warum luden Sie zu den Öku­menischen Tagen 1983 ausgerechnet Ungarn ein? Hatten Sie schon persön­liche Kontakte nach Ungarn?- Es gab keine Kontakte nach Ungarn. Gerade deshalb war es sehr wichtig, Kontakte zu schließen. Damals trennte Ost- und Westeuropa immer noch der Eiserne Vorhang. Ungarn bot sich deshalb an, weil 1983 Luther­jahr war - der 500. Geburtstag von Martin Luther. Gleichzeitig war schon bekannt, dass 1984 die Vollversammlung des Lutheri­schen Weltbundes in Budapest stattfinden wird - erstmals in ei­nem osteuropäischen Land. Des­halb kam es mir darauf an, durch eine Begegnung mit Christen aus Ungarn eine Brücke zu schlagen - gerade im Hinblick auf das Lu­therjahr und im Hinblick auf die­se Vollversammlung.- Wie erinnern Sie sich an die Be­gegnungstage mit Ungarn? Was ha­ben Sie für sich persönlich aus dieser Begegnung mitgenommen?- Diese Erstbegegnung mit Christen aus Ungarn war für mich ein großes Erlebnis. Es war eine ökumenisch zusammenge­setzte Delegation mit vier luthe­rischen Christen, zwei reformier­ten Pfarrern und einem Metho­distenpfarrer. Diese unterschied­lichen Frömmigkeiten zu erle­ben, wie sie geprägt worden sind in einer schwierigen Situation in Ungarn, wo Kirchen damals zwar nicht verfolgt worden sind, aber doch in großen Schwierig­- Eine Frucht der Ökumenischen Tage ist die Gemeindepartnerschaft zwischen St. Sebald und der Budapes- ter Burggemeinde. Wann merkten Sie, dass in dieser Begegnung etwas ent­stand, das es tatsächlich ermöglichte, von hier einen Bogen in die Zukunft zu spannen, und das noch viele wert­volle Begegnungen bringen kann?- Es war mein Anliegen bei den Ökumenischen Tagen, dass eigentlich in jeder Kirchenge­meinde, die sich an diesen Öku­menischen Tagen jeweils betei­ligte, eine Partnerschaft entsteht. Dass es im Falle von St. Sebald so schön lief und so erfolgreich wurde, ist - glaube ich - zwei Umständen zu verdanken. Der eine Umstand ist, dass auch sei­tens der ungarischen Gemeinde, der Burggemeinde, ehrliches In­teresse bestand, die Partnerschaft weiter zu halten, und dass es auch viele Berührungspunkte in der Struktur und in der Bedeu­tung dieser Kirchengemeinden in Budapest und in Nürnberg, der Burggemeinde und St. Se­bald, gibt. Und das zweite, was ganz entscheidend geholfen hat, war, dass diese Begegnung von Anfang an und immer wieder von jungen Menschen und von deren Begeisterung mitgetragen wurde. Dadurch hat sich die Partnerschaft im Laufe der Jahre gestärkt. 1986, als ich von St. Se­bald nach Hannover ins Kirchen­amt der EKD als Osteuroparefe­rent ging, war - kurz bevor ich meinen Abschiedsgottesdienst im Juli hielt - eine Delegation aus Ungarn da. Und da war mir klar: auch wenn ich nicht mehr in Nürnberg bin, wird die Partner­schaft weitergehen.-1984 fand in Budapest die Welt­konferenz des Lutherischen Weltbun­des statt. Sie waren zu dieser Zeit mit einer Nürnberger Delegation in Un­garn und halten Gelegenheit, sowohl das Land kennen zu lernen, als auch an der Weltkonferenz teilzunehmen. Was sind Ihre Eindrücke, die Sie bis heute begleiten, wenn Sie an 1984 zu­rückdenken?- Wir haben 1984 unsere un­garischen Gäste in den verschie­denen Gemeinden besucht. Ich konnte dadurch auch in ganz un­terschiedlichen Gemeinden pre­digen: in einer reformierten Ge­meinde in Debrecen, in einem chen Leben schon zu spüren war, aber auch in der Kirche - be­sonders in der lutherischen Kir­che - sehr deutlich war. Es herrschte eine ganz große Offen­heit und ein ganz großes Interes­se an unserem Leben hier in Westdeutschland, wie wir unser Christsein verstehen. Und wer immer in Ungarn ist, wird von der Herzlichkeit, von der Gast­freundschaft begeistert sein. Das sind bleibende Eindrücke, die ich nie vergessen werde.- Ihr beruflicher Weg führte Sie 1986 von St. Sebald weg, zunächst nach Hannover zur EKD, später nach Fürth als Dekan und schließich nach Nürnberg zurück als Präsident des Diakonischen Werkes in Bayern. Wel­che Kontakte nach Ungarn hatten trotz Ihrer weitverzweigten Laufbahn auch nach Ihrer Zeit an St. Sebald Be­stand?- Ich habe zu allen Mitglie­dern der ungarischen Delegati­on, die aus der lutherischen Kir­che kommen, ganz enge Kon­takte. Zu Bischof Nagy genauso wie zu Bischof Szebik, der ja Nachfolger von Bischof Nagy wurde, zu Lajos Szabó, der Lehr­stuhlinhaber an der Theologi­schen Hochschule ist und der damals Gast in der Kirchenge­meinde in Nümberg-Mögeldorf war. Darüber hinaus hat sich dann im Laufe der letzten 25 Jah­ren ein Netz von Kontakten ent­wickelt - gefördert einerseits durch die Kontakte, die durch diesen Delegationsbesuch ge­kommen sind, andererseits auch durch meine Aufgabe, die ich dann in Hannover hatte, weil ich ja in Hannover im Kirchenamt der EKD zuständig war für die evangelischen Kirchen in Euro­pa östlich von Deutschland. Da­durch haben sich noch zusätzli­che Kontakte ergeben. Und jetzt als Präsident des Diakonischen Werkes Bayern freut es mich, dass zwischen der Diakonie der lutherischen Kirche in Ungarn und unserer bayerischen Diako­nie ein reger Austausch besteht - zum Beispiel im Bereich der Kin­dertagesstätten und der Schulen - und mehrere Partnerschaften, auch von diakonischen Einrich­tungen hier und dort, inzwi­schen entstanden sind. ■ H.M. Aufbruch zur Reformation Gedanken zur Reformationsdekade 2008 - dieses Jahr markiert für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den Beginn der Lutherdekade, die Ende Sep­tember offiziell in Wittenberg er­öffnet wurde. Das Jahrzehnt bis zu den Feierlichkeiten „500 Jahre Reformation“ im Jahr 2017 soll dazu dienen, so die EKD, das Wissen über Luther zu vertiefen und zu verbreiten sowie die Dis­kussion über die Aktualität der Reformation anzustoßen (vgl. www.luther2017.de). Gerade letzte­res scheint notwendig. Es besteht die Chance, das bevorstehende Jubiläum zu nutzen als kritische und konstruktive Erinnerung an das, wovon die Kirche lebt. In den vergangenen Jahren do­minierte die Angst um die Zu­kunft der Kirche angesichts sin­kender Mitgliederzahlen und spürbar nachlassender öffentli­cher Relevanz vielfach das kirch­liche Reden und Handeln. Immer neue Strukturreformen wurden gestartet und zahlreiche Pro­gramme aufgelegt, um zu zeigen, dass die Kirche nahe bei den Menschen und für diese in ihren unterschiedlichen Bedürfnissen interessant ist. Teilweise hekti­sche Initiativen spornten Ge­meinden und Landeskirchen an, als Anbieter auf dem Markt der religiösen Angebote präsent zu sein. Dass die Kirche dabei ihre Botschaft manchmal allzu heftig banalisierte und ihr Image auf Plakatwänden („Was ist Glück?“, 2002) und mit flotten Leitbildern („Evangelisch — wir sind so frei!“) eher ramponierte als profilierte, sehen inzwischen die meisten ein. Da ist es gut, dass nun zehn Jahre ruhigeren Nachdenkens und ein „Aufbruch zur Reforma­tion“ angesagt sind. Ich formu­liere im Folgenden vier (nicht 95!) Thesen und stelle einige Fra­gen, um anzudeuten, wie ein „Aufbruch“ zurück zum Ur­sprung vor 500 Jahren einen „Aufbruch" in die Zukunft moti­vieren kann. (1) Es gilt, gelassen auf Gott und die Wirkung seines Wortes zu vertrauen! Von der „Rechtfertigung allein aus Glauben, allein aus Gnade, allein durch Christus“ reden Evangelische seit Jahrhunderten. Die Formel ist vertraut und öku­menisch auch nicht mehr ernst­lich strittig. Aber wurde und wird sie gelebt? Gerade die Enga­gierten in den Gemeinden klagen über Stress und Überarbeitung, und unter Pfarrerinnen und Pfar­rern nehmen die Fälle eines Burnout im pastoralen Dienst bedrohlich zu. Luther scheint es (wenigstens teilweise) anders er­gangen zu sein. Er spricht in sei­nen Invokavitpredigten 1522 da­von, dass er gemütlich schlief oder mit Melanchthon und Ams­dorf bei „wittenbergisch Bier“ zusammensaß, während das Wort wirkte und eine ganze kirchliche Hierarchie ins Wan­ken brachte (WA 10,1,3, i8f). „Ich habe nichts getan, das Wort hat es alles gehandelt und ausge- richt!“ (WA 10, 1, 3, 19) Diese theologisch begründete (und da­her eben alles andere als faule oder leichtfertige!) Gelassenheit neu zu lernen, wäre sicher eine wesentliche Aufgabe für die Kir­che der Gegenwart - und könnte sie zu einem echten Leuchtturm in einer Welt des hektischen „Du bist, was du aus dir machst!“ wer­den lassen. (2) Es gilt, das Potential einer Ge­meinde zu entdecken, in der alle Ge­tauften Priester sind! Es waren mu­tige Sätze, die Luther 1520 „an den christlichen Adel deutscher Nation“ schrieb: „Alle Christen“, so meinte er, „sind wahrhaftig geistlichen Standes!“ Und alle würden durch die Taufe zu Prie­stern geweiht (WA 6, 407)! Lu­ther berief sich dabei auf das paulinische Bild von einem Leib und seinen vielen Gliedern (iKor 12). Nicht alle tun dasselbe, aber jede und jeder trägt nach ihren und seinen Gaben bei zum Ge­lingen des Ganzen! Wurde dieses Gemeindebild je wirklich gelebt? Und hat es gegenwärtig Chan­cen, wo sich Kirchengemeinden und Pfarrer nicht selten als religi­öse Dienstleistungsunterneh­men verstehen und die getauften Glieder der Gemeinde in der me­taphorischen Sprache der Öko­nomie zu „Kunden“ transfor­miert werden? Auf Liedblättern, die bei Gottesdiensten verteilt werden, findet sich nicht selten tun wir das Nötige, um sie zu ge­winnen - die Menschen, die den Zusammenhang von Gottes­dienst und Diakonie, von Spiri­tualität und Nächstenliebe so un­mittelbar sehen, wie Luther dies beschreibt? Diakonische Ge­meinden wären das Ziel, die nicht zufrieden sind damit, dass wir vor allem eine bürgerliche Kirche (geworden) sind. (4) Es gilt, die Bibel als Lebens- Wort zu erkunden! Luther hatte es erfahren und theologisch be­gründet: Die kirchliche Hierar­chie kann ebenso wenig Gewiss­heit im Glauben vermitteln wie der Rekurs auf das eigene from­me Selbst. Allein das Wort, das uns die Botschaft von Gottes Ge­richt und Gnade immer neu zu­sagt, ist dazu in der Lage. Und da­her gilt es, dieses Wort immer neu zu lesen, auszulegen, zu er­kunden. Luther schreibt 1520: „So müssen wir nun gewiss sein, dass die Seele alle Dinge entbehren kann, ausgenommen das Wort Gottes“ (WA 7, 22). Leben evan­gelische Gemeinden so, dass die Getauften mit immer neuer Er­wartung an dem Wort der Bibel eine Liste der „Mitwirkenden“ - und dann werden Pfarrerin und Lektor, Organistin und Mesner genannt, ohne zu bedenken, dass alle, die zum Gottesdienst Zu­sammenkommen, mitwirken in Gebet und Lobgesang! Wie sä­hen Gemeinden aus, in denen das „Priestertum aller“ zur Grundlage gemeindlicher Arbeit würde? (3) Es gilt, den Zusammenhang von Gottesdienst und Diakonie zu ge­stalten! Am Stephanstag (26. 12.) 1523 predigte Luther über sein Bild einer rechten Kirche. Eine Kirche wäre das, in der gepredigt und gebetet, gleichzeitig aber auch „der Leib versorget“ würde (WA 12,693), in der also Seele und Leib aller gleichermaßen zu ih­rem Recht kämen. Sagen wir's moderner: Luther malt das Bild einer diakonischen Gemeinde! Er stellt aber in derselben Predigt resignierend fest, dass dies nur real würde, wenn man die „leuet hett“ (die Leute dazu hätte). Ha­ben wir sie, die Leute dazu? Und hängen, um aus dem Wurzel­grund der Schrift täglich neu ge­boren zu werden, wie Luther es einmal formulierte? Vielleicht wäre es diese Konzentration, die Not täte. Nicht die Vielzahl unter­schiedlichster Angebote macht Gemeinde lebendig, sondern das Lebens-Wort der Bibel. „Das ist meine Lehre: Sie lässt Gott Gott sein“, so meinte Luther einmal (WA 17,1, 232). So einfach dies klingt, so herausfordernd bleibt diese Grundeinsicht und bleiben die vielfältigen weiteren Impulse des Reformators und seiner Mitstreiter. Brechen wir al­so auf zur Reformation in der vor uns liegenden Dekade! ■ Dr. Alexander Deeg Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Praktische Theologie in Erlangen Literaturhinweis: Alexander Deeg (Hg.), Aufbruch zur Reformati­on. Perspektiven zur Praxis der Kirche 500 Jahre danach, Leipzig 2008.

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