Felix Ermacora: Ergänzungsband 8. Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920) (1967)

I. Einleitung

Einleitung 25 sich im Jahre 1920/1925 mit einem die Bedeutung der Länder berück­sichtigenden Kompromiß. Ihr Ausdruck war der § 42 des V.-ÜG. in den Fassungen der Jahre 1920 und 1925. Die Ordnung des Schulwesens wurde im großen und ganzen so belassen, wie sie durch die Landesordnungen 1861, und das Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung, RGBl. 140/ 1867, festgelegt war. Erst nach dem zweiten Weltkrieg löste die große Koalition den seinerzeitigen Kompromiß zwischen Bund und Ländern und ordnete das Schulwesen zu Lasten des bundesstaatlichen Prinzipes. Der Ausdruck dieser Ordnung ist vor allem die Neufassung des Art. 14 B.-VG. durch die Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 215 62). Wenngleich an den Typen der Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern, so wie sie durch das Bundes- Verfassungsgesetz 1920 vorgezeichnet waren, nichts geändert wurde, hat sich an der Kräfteverteilung, in den Inhalten der Kompetenzen erhebliches geändert. Vom Schrifttum wird übereinstimmend festgehalten, daß der Hang zum Zentralismus durch eine Flut von Verfassungsnovellen und Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen die Kompetenzverteilung ihrem Inhalte nach zu Lasten der Länder verändert hat63). Die Neu­ordnung der Grund- und Freiheitsrechte ist im Jahre 1920 gescheitert. Hier half man sich mit dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 144/1867; dieses und andere grundrechtliche Regelungen 64) wurden durch den Art. 149 B.-VG. zu Bundesverfassungsgesetzen erhoben. Aber auch dieser Kompromiß des Jahres 1920 wurde durch die intensive Teilnahme Österreichs an den internationalen Beziehungen verschoben: menschenrechtliche Bestimmun­gen im Staatsvertrag von St. Germain, StGBl. Nr. 303/1920, im Staats­vertrag, BGBl. Nr. 155/1955, und in der Europäischen Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, die heute samt und sonders im Range von Bundesverfassungsgesetzen stehen65), haben das eigenständige österreichische Recht zu überlagern begonnen. Seit dem Dezember 1964 tagt eine vom Bundeskanzler einberufene Ex­pertenkommission zur Neuordnung der Grundrechte, von der man jene Lösung erhofft, die im Jahre 1920 nicht geglückt war. Eine verfassungshistorische Studie, zu der hier nicht der Raum ist, müßte die Auffassungen der Konstituante zu den eben erwähnten Schwer­punktfragen analytisch herausarbeiten, um so aufzuzeigen, wie weit sich 62) Vgl. Ermacora, Der Föderalismus in Österreich, JböR, Bd. 13 N. F. (1963) S. 221 ff. 63) Vgl. Ermacora, a. a. O., S. 236 ff; Ermacora, Die Entwicklung des österr. Verfassungsrechtes seit dem Jahre 1951, JböR, Bd. 6 N.F., (1956) 329 ff. ®4) Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit (RGBl. Nr. 87/1862); Gesetz zum Schutze des Hausrechtes (RGBl. Nr. 88/1862); Beschluß der Provi­sorischen Nationalversammlung (StGBl. Nr. 3/1918); Staatsvertrag von St. Ger­main (StGBl. Nr. 303/1920). es) Siehe B.-VG. Novelle, BGBl. Nr. 59/1964, Art. II. Z. 3 und 7.

Next

/
Thumbnails
Contents