Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

Einleitung

3 ein Ende, sie verschmolz mit der Prager Kanzlei. Nach Matthias Regie­rungsantritt wurde, scheinbar im November 1612, wieder eine böhmische Hofexpedition nach Wien verlegt, so daß die vor Rudolphs Übertragung nach Prag herrschenden Verhältnisse sich wieder erneuten. 1624 aber wurde auch die böhmische Hof kanzlei dauernd nach Wien verlegt; deren an den Hof geschobene Abteilung war wieder überflüssig geworden und wurde daher eingezogen. Erwähnt sei noch, daß Matthias 1608 als Regent Mährens an seinem Hof in Wien eine eigene mährische Kanzlei errichtet hatte, welche bis zur Wiedervereinigung Mährens mit Böhmen im Jahre 1611 bestanden hatte, sowie daß er trotz des Widerstandes der böhmischen Stände dem Druck der schlesischen und lausitzischen Stände, welche die schwierige innerpolitische Lage des Königs klug zu nützen verstanden, nachgeben und in die Errichtung einer eigenen schlesischen Kanzlei am Hoflager willigen mußte. 1612 wurde sie tatsächlich errichtet, aber schon 1616 von dem durch das Verhalten der schlesischen Stände erbitterten Matthias wieder aufgehoben und mit der böhmischen Hof kanzlei vereinigt 8). 1526 waren in die Reichs(hof)kanzlei auch Sekretäre für die ungari­schen Sachen aufgenommen worden. Auch hier bildete sich dasselbe Ver­hältnis aus: eine ungarische Kanzlei am Hof lager 9) und eine ungarische Hofkanzlei, als Landeskanzlei wie man sie bezeichnen darf, zunächst in Ungarn, seit dem 17. Jahrhundert aber dauernd in Wien 10). Während die Gnaden- und Justizsachen im 16. Jahrhundert vornehmliöh durch die Landeskanzlei liefen, gingen die politischen durch die Hofexpedition, wel­che sie nach der Verlegung der Landeskanzlei nach Wien an diese ver­lor. Allmählich gerät die Hofexpedition auch in das Verhältnis der Unter­ordnung unter die Hofkanzlei; ein Zustand, der nach langem Andringen der Stände 1690 erreicht ist, nachdem wiederholt 1559, 1567 und 1569 die Unabhängigkeit der ungarischen Hofkanzlei gesetzlich festgelegt worden war10). All die genannten, am Hof lager befindlichen Kanzleien versa­hen nun auch die Geschäfte eines Kabinettssekretariates für ihren Be­reich und nicht nur für diesen; denn Übergriffe in den Wirkungskreis der anderen kehrten immer wieder. Nachdem Kaiser Rudolph II. im Liebener Vertrag vom 25. Juni 1608 Ungarn, Österreich und Mähren an Erzherzog Matthias abgetreten hatte, gestaltete dieser den nach der Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Prag (1578) als Hofexpedition des jeweiligen erzherzoglichen Statthalters in Wien verbliebenen Teil der Reichskanzlei zu seiner Hofkanzlei aus, welche — sie wird „königlicher Majestät österreichische hofcanzlei“ be­8) Über die böhmische Hofkanzlei siehe jetzt Fellner-Kretschmayr, a. a. O., S. 174 ff., über die mährische und schlesische Kanzlei, ebenda, S. 186 ff., s. auch O. Peterka, a. a. O., S. 87. 9) Fellner-Kretschmayr, a. a. O., Bd. 1, S. 141, Bd. 2, S. 289. i") Ebenda, Bd. 1, S. 146 f. 1*

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