Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)

Die österreichischen Archive und die Geschichtswissenschaft

Die österreichischen Archive und die Geschichtswissenschaft 91 ordentlichen Universitätsprofessors ausgezeichnet war und als wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien angehörte71). In Graz hat der Landesarchivdirektor Anton Mell gelegentlich Vor­lesungen über Archivkunde an der Universität abgehalten72). Was solche Kollegien bieten konnten, entsprach mehr einer Diplomatik der Urkunden und Akten der Neuzeit. An einer systematischen Unterwei­sung im Lesen von Handschriften der neueren Jahrhunderte fehlte es bis in die jüngste Zeit, als Karl Pivec, Alphons Lhotsky und Friedrich Walter sich der Sache annahmen, sehr73). Mühlbacher und Steinacker haben den Paläographieunterricht bis ins 16. Jahrhundert ausgedehnt74), ohne Bin­dung ,an das Institut hat A. F. Pribram Übungen im Lesen von Akten des 16.—18. Jahrhunderts in regelmäßigen Abständen gehalten, wobei er sich zumeist Archivalien des Kriegs- und des Hofkammerarohivs bediente. Naturgemäß mußte die Teilnehmerzahl, da ja nur Originale zur Verfügung standen, sehr beschränkt werden75). Der verdienstvolle Direktor des Kriegs­archivs, Feldmarschalleutnant Leander von Wetzer75a), hat die Herausgabe von Lehrbehelfen zur Schriftenkunde der Neuzeit veranlaßt. Dieses Tafelwerk wird heute noch angesichts des drückenden Mangels an Lichtbildern zur neuzeitlichen Paläographie, namentlich für Akten- und Kanzleischriften, häufig verwendet76). Mit Ausnahme von Redlich hatten die Vertreter der historischen Hilfs­wissenschaften an den österreichischen Universitäten wenig Beziehung zum Archivwesen. Stärker zeigt sich dies bei den Tschechen, die zumeist auch das Institut absolvierten. Emler war, ehe er die akademische Laufbahn 71) Geboren Wien 19. Februar 1877, gest. 3. April 1945. Nekrologe von Santifaller, Almanach d. Akademie 95, 183—192; S r b i k, Hist. Zeitschrift 169, 450—451; J. K. Mayr, Ludwig Bittner zum Gedenken. Der Archivar 4, 181—187. 72) Hafner, Anton Mell. Zeitschrift f. Geschichte Steiermarks 35 (1942), 104—123. 7S) Pivec, Paläographie des Mittelalters — Handschriftenkunde der Neu­zeit. Festschrift z. zweihundertj. Bestand d. Haus-, Hof- u. Staatsarchivs 1, 225—236. 74) Nach den Vorlesungsverzeichnissen im Wiener Universitätsarchiv. 75) Geb. 1. September 1859 in London, gest. 7. Mai 1942. Nekrolog von Otto Brunner im Almanach d. Akademie 99 (1949), 240—247. 75a) Geb. Freiburg i. Breisgau 17. Februar 1840, gest. Wien 10. März 1904. O. Regele, Leander v. Wetzer. Veröffl. d. Verb, österr. Geschichtsvereine 10 (1956). 76) Unterrichts-Behelfe zur Handschriften-Kunde. Handschriften aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, zusammengestellt von der Direktion d. k. u. k. Kriegsarchivs, 20 Tafeln (1889). Eine Übersicht über Tafelwerke, die ganz oder teilweise Schriften der Neuzeit bringen, bei Santifaller, Bozener Schreib­schriften der Neuzeit 1500—1851. Beiträge zur Paläographie = Schriften d. Inst. f. Grenz- u. Auslandsdeutschtum a. d. Universität Marburg 7 (1930), 7—17.

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