Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)

Die österreichischen Archive und die Geschichtswissenschaft

78 Walter Goldinger eher Unternehmungen. Auch die Hofhistoriographen, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts mehr und mehr genannt werden, arbeiteten in dieser Richtung. Guillimann versicherte sich der Hilfe Maximilians des Deutsch­meisters und erhielt Zutritt zum Schatzgewölbe in Innsbruck. Sogar zur Versendung von Archivalien nach Freiburg im Breisgau ließ man sich her­bei, was freilich unter gehörigen Vorsichtsmaßnahmen durch einen eigenen Kurier vor sich ging7). Während aber später Gerard Roo nur Bibliotheks­gut benützte8), haben Burglehner, Marx Sittich von Wolkenstein und Brandis auch Akten verwendet. Ihre Stellung, die sie bei den Ständen innehatten, erleichterte dies 9). Denn gerade der Adel mit seinen gelehrten Bestrebungen, die wieder stark genealogischen Einschlag zeigen, vollbrachte anerkennenswerte Lei­stungen. Eingehende Untersuchungen über Reichart Streun von Schwar­zenau 10) und Job Hartmann von Enenkel11) haben gezeigt, wie weit Quellen, die in den Archiven lagen, von ihnen verwendet wurden. Ein lebendiger geschichtlicher Sinn und ein ausgeprägtes Landesbewußtsein kennzeichnen das Wirken jener Männer, denen die Aufgaben von Landes­historiographen übertragen wurden12). Auch in den geistlichen Anstalten war ein ähnlicher Geist am Werke. Gerade in einer Zeit der vollen Entfaltung aller Kräfte ging Philibert Hueber in Melk daran, eine „Austria ex archivis Mellicensibus illustrata“ Ladislaus Sunthaym benützte für seine genealogischen Forschungen Archiva­lien. Vgl. Bauer, Ladislaus von Suntheim und die Anfänge der genealogischen Forschung in Österreich. Jahrbuch Adler, N. F. 14 (1904), 60 ff.; Fritz Éheim, Ladislaus Sunthaym. Wiener phil. Diss. 1949. 7) J. Hirn, Erzherzog Maximilian der Deutschmeister, Regent von Tirol, 1 (1915), 387 ff. 8) Straganz, Gerard Roos österreichische Annalen, untersucht nach ihren Quellen und ihrem Werte. Forschungen u. Mitt. z. Geschichte Tirols u. Vorarlbergs 4 (1907), 272 ff. 9) Hirn, a. a. O., 445 f. Stolz in Schlernschriften 34, 12; R a n g g e r, Mathias Burgklehner, Beiträge zur Biographie und zu seinen historischen und kartographischen Arbeiten. Forschungen u. Mitt. z. Geschichte Tirols u. Vorarl­bergs 4 (1907), 84 f. 10) Großmann, Der Historiker Reichart Streun von Schwarzenau (1538—1600), Mitt. d. Inst., Ergänzungsb. 11, 559—565; ders., im Jahrb. d. Vereins f. Landesk. v. Niederösterr., N. F. 20/2 (1927), 1—37; Otto Brunner, Adeliges Landleben und europäischer Geist (1949), 170 ff. 11) Anna Coreth, Job Hartmann von Enenkel. Mitt. d. Inst. 55, 285 ff. 12) Für Niederösterreich ist auf Johann Wilhelm Graf Wurmbrand hinzu­weisen: Collectanea genealogico-historica ex Archivo inclytorum Austriae inferioris statuum ut et aliis privatis scriniis documentisque originalibus excerpta. Vgl. A. Coreth, Österreichische Geschichtsschreibung in der Barockzeit, 127. Megiser-Christalnick hatten als Protestanten Schwierigkeiten bei der Heran­ziehung von Archivalien. K. Großmann, Megiser Christalnick und die Annales Carinthiae, Mitt. d. Inst. 57 (1949), 364; K. Peball, Zur Quellenlage der „Annales Ferdinandei“ des Grafen Franz Christoph Khevenhüller-Franken- burg. Mitt. d. österr. Staatsarchivs 9 (1956) Iff.

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