Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)

Die österreichischen Archive und die Geschichtswissenschaft

Die österreichischen Archive und die Geschichtswissenschaft 101 So umfangreich aber alle die genannten Forschungsarbeiten sind, die die österreichischen Historiker in den Archiven und mit ihnen durchge­führt haben, es fehlt doch noch an einer Geschichtsschreibung großen Stils. Vor bald hundert Jahren hat Julius von Ficker eine packende Denk­schrift an das Unterrichtsministerium gerichtet, in der er die Vervoll­kommnung der österreichischen Geschichtswissenschaft als dringendes Ge­bot bezeichnete. Er unterließ es nicht, darauf hinzuweisen, daß die so­genannte Gothaer Richtung in Deutschland nicht nur die Lehrstühle, sondern auch die preußischen Staatsarchive besetzt hielt 13°). Es liegt nahe, daß solche Erwägungen auch sein Eintreten für die Gründung des Statt­haltereiarchivs in Innsbruck beeinflußt haben130 131). Damit sind wir zum Ausgangspunkt unserer Untersuchungen zurück­gekehrt. Eingangs ist davon die Rede gewesen, daß die Archive an der Formung eines für das Staatsbewußtsein notwendigen österreichischen Geschichtsbildes werden mitzuarbeiten haben. Vorerst aber galt es, die österreichischen Archive selbst als Quellen historischer Erkenntnis ins Auge zu fassen, um zu einer klaren Anschauung der inneren Struktur des österreichischen Archivwesens zu gelangen. Werden und Erbe, Gestalt und Auftrag zeichnen die Grenzen auch für neu abzusteckende Ziele. 130) Alig. Verwaltungsarchiv: Min. f. Kultus u. Unterricht, ZI. 13668/1859. J. Jung, Julius Ficker (1826—1902). Ein Beitrag zur deutschen Gelehrten­geschichte (1907), 231. 131) Die von Ficker verfaßte Denkschrift der Innsbrucker Historiker zu dieser Frage vom 10. März 1866 ist gedruckt bei Michael Mayr, Zum 40jähri- gen Bestand des Innsbrucker k. k. Statthaltereiarchivs. Archivalische Zeitschrift N. F. 14 (1907), 287—295.

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