Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VII. Allgemeine und österreichische Geschichte. - 72. Hans Lentze (Innsbruck): Joseph von Spergs und der Josephinismus
Joseph von Spergs und der Josephinismus. 395 der Zeit veröffentlichte er zu patriotischen Anlässen lateinische Gedichte 1), die ein gutes Formtalent und eine glänzende Beherrschung des Lateins zeigen. Sein Vater führte ihn in die Archivkunde und Urkundenlehre ein. Zu den Amtsgeschäften des Schatzregistrators gehörte es, von den Urkunden des Archivs Auszüge zu verfassen. Dabei nahm er schon früh seinen Sohn zum Gehilfen, der dadurch Urkunden lesen und verstehen lernte. Daneben trieb der junge Spergs Kunststudien und nahm auch bei dem Maler Johann Dominik Gras- mair 2) Unterricht im Zeichnen und Malen. Um allen Anforderungen seiner Zeit gewachsen zu sein, lernte er auch die französische und italienische Sprache. Er schloß sich dabei einem sehr gebildeten italienischen Geistlichen, Martin Gabrielli, an, der Kaplan an der Maria- Hilf-Kirche in Innsbruck war. Gabrielli führte ihn in den Geist des klassischen Altertums ein und lehrte ihm ein besseres, mehr klassisches Latein als es damals üblich war 3). Auf ihn dürfte Spergs’ spätere klassizistische Grundhaltung zurückgehen, auch dürfte er ihn bereits mit dem Gedankengut der katholischen Aufklärung im Sinne Muratoris 4) bekanntgemacht haben. Spergs Jugendzeit fiel gerade in jene Zeit, in der sich Italien in zwei Lager, in das Muratoris und das seiner Gegner schied, und in der Muratoris Ideen auch in Österreich und den benachbarten deutschen Gegenden Anhänger fanden 5). Sie berührten sich hier mit verwandten Strömungen, z. B. der maurinischen Richtung im Benediktinerorden, die im Anschluß an das gefeierte Vorbild ihrer französischen Mitbrüder, der Mauriner, die Geschichte auf quellenmäßiger Grundlage pflegen wollte 6). Die „gelehrte Aufklärung“ schuf die Akademien zur Organisation der Forschung 7). Diese Strömung ergriff auch Innsbruck, wo sich um das Jahr 1738 mehrere wissenschaftlich interessierte Männer zu einer kleineren literarischen Gesellschaft vereinigten, die der Sitte gemäß einen eigenen Namen, Societas Silentiariorum, annahm 8). Zu ihren Mitgliedern gehörte auch Gabrielli, ihre Seele war Anton Roschmann, damals noch Notar der Universität, seit 1740 mit dem Titel eines landschaftlich tirolischen Historiographen ausgezeichnet, seit 1746 Leiter der neu errichteten Staatsbibliothek zu Innsbruck 9). Aus dieser Gesellschaft entwickelte sich im Jahre 1740 eine fest organisierte Akademie, die den Namen Societas oder Academia literaria annahm; da sie ihre Sitzungen im Palais des Grafen Taxis abhielt, wurde sie auch als Academia Taxiana bezeichnet 10). Zum Hauptgegenstand ihres wissenschaftlichen Strebens erwählte sich die Akademie die Geschichte. Die Glaubenslehren, polemische und scholastische Fragen waren ausgeschlossen 11), hier zeigt sich der Einfluß der Aufklärung. Mit diesem Kreis stand auch der junge Spergs in Verbindung, im Jahre 1751 wurde er unter die Mitglieder aufgenommen 12). *) Angeführt mit genauen Titeln bei Dipauli, a. a. O., S. 4 f.; teilweise abgedruckt: Centuria, S. 151 ff. 2) Vgl. über ihn Hammer, Thieme-Becker, a. a. O., Bd. 14, S. 526 f. 3) Dipauli, a. a. O., S. 5. 4) Vgl. dazu Winter, a. a. O., S. 17 ff.; Holzknecht, Ursprung und Herkunft der Reformideen Kaiser Josephs II. auf kirchlichem Gebiet, Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs, hrsg. von A. Dopsch, H. 11, 1914, S. 6 ff. 6) Winter, a. a. O., S. 20 ff. 8) Winter, a. a. O., S. 22 ff. 7) Meister, Geschichte der Akademie der Wissenschaften in Wien 1847 bis 1947. Wien 1947, S. 9 ff.; Harnack, Geschichte der preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Bd. I, Berlin 1900, S. 21 ff. 8) Grass Nikolaus, Die Innsbrucker Gelehrtenakademie des 18. Jahrhunderts und das Stift Wilten. Tiroler Heimatblätter, Bd. 23, 1948, S. 13 ff. 9) Vgl. Dipauli, Anton Roschmann und seine Schriften. Beiträge zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg, Bd. II, 1826, S. Iff.; Hittmair, Geschichte der Universitätsbibliothek in Innsbruck, Zeitschrift des Ferdinandeums, 1910, S. 16 ff. 10) Grass, a. a. O., S. 14 f. n) Grass, a. a. O., S. 15. 12) Dipauli, a. a. O., S. 11.