Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 50. Hermann Balti (Graz): Beiträge zur Geschichte der steirischen und österreichischen Strafrechtskodifikationen im 15. und 16. Jahrhundert
30 Balti, 1. Oktober 1559 jedoch wurde der Text, nachdem er „in etlichen Artickeln gebessert vnnd erclärt“ worden war, vom König bewilligt, bestätigt und publiziert. Die Fassung von 1559 kann daher nur in geringem Ausmaß von dem seinerzeitigen Entwurf der Jahre 1534 bis 1536 ab weichen, im Hauptteil trat keine Änderung ein x). Das zeigte sich im übrigen auch bei der Untersuchung der Geschichte der Landgerichtsordnung von 1577 für Kärnten, in der von insgesamt 40 Artikeln 17 aus dem oberösterreichischen Text stammen, wobei auch hier die Übernahme der oberösterreichischen Bestimmungen vor 1550 erfolgt sein dürfte. Für Kodifikationsarbeiten stand also während der vierziger Jahre des 16. Jahrhunderts der oberösterreichische Text schon zur Verfügung und wurde sowohl von Kärnten als von Steiermark benützt. Folgende Bestimmungen der steirischen Landgerichtsordnung in den Fassungen von 1546 und 1574 sind aus dem von uns als oberösterreichisch bezeichneten Text entnommen: Landgerichtsordnung Steiermark I 4, 5 6 a 9 10 a b c 24 25 26 27—34 138 II 1 3 a III 15 19 Oberösterreich * 2) 31 a 32 37 38 39 (nur Titel gleich) 38 39, 40 40 41, 42 43 b 3) 43 d 6 27 Die Übereinstimmungen sind wörtlich, wobei geringfügige Abweichungen in Wort- und Satzstellung auftreten. Das ist also eine ganz stattliche Reihe von Übereinstimmungen. Bedeutsam dabei ist, daß sowohl nicht in der Carolina enthaltene Sätze als auch Vorschriften der Carolina übernommen wurden, wobei man in Steiermark bezüglich der Reihenfolge der einzelnen Vorschriften die Reihung im oberösterreichischen Text berücksichtigte und nicht die Reihung in der CCC selbst. Wenn man nun bedenkt, daß der steirische Text von 1546 und 1574, der kärntnerische Text von 1577 (der jedoch schon 1550 Gesetz war) und die oberösterreichische Ordnung von 1559, die auf 1536 zurückgeht, verschiedene wörtliche Übereinstimmungen aufweisen, so liegt der Gedanke nicht fern, an eine gewisse planmäßige Gemeinsamkeit zu denken. König Ferdinand war etwa um 1545 willens, eine gemeinsame Malefizordnung für die fünf niederösterreichischen Länder aufzurichten und um 1549 schon muß ein Entwurf zu dieser Ordnung vorhanden gewesen sein 4). Könnte nicht die 1559 Gesetz b So auch Strnadt AÖG. 97, 1909, S. 195. 2) Die Zählung der Artikel ist eine Zählung der mit Überschriften versehenen Abschnitte. 3) Damit ist Byloff S. 89 widerlegt: im zweiten Teil der steirischen Landgerichtsordnung seien direkte Entlehnungen aus der Gesetzgebung der Nachbarländer nicht erweislich. 4) Staatsarchiv Wien, Innerösterreichische Akten, Kärnten, Fase. I. Im Yorlagebericht zu einer die Strafgesetzgebung in Kärnten betreffenden Eingabe des Kärntner Landeshauptmannes schrieb die niederösterreichische Regierung am 20. März 1549 „dieweil nun E. Kh. Mt. von vnns . .. hievor ain Beratslagung vnnd Verfassung ainer gemainen Pluetgerichtsordnung der Niderösterreichischen Lannde in vnnderthenigkeit vberschickht worden . . . “ bitte die Regierung, der König möge sich hierüber entscheiden. Daraus geht mit Bestimmtheit hervor, daß der Plan, eine gemeinsame Malefizordnung für alle fünf niederösterreichischen Lande zu erlassen, schon weit gediehen war und daß bereits ein entsprechender