Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
VI. Kirchengeschichte - 63. Andreas Posch (Graz): Die deutsch-katholische Gemeinde in Wien
280 Posch, als privater Verein geduldet wurde und den Schein der Legalität zu wahren suchte. Aber bald zeigten sich verderbliche Erscheinungen, wie Schmähung des katholischen Kultes und verderbliche sittliche Lehren. Trotz polizeilicher Maßnahmen, die offenbar nicht ausreichen, arbeitet die Sekte weiter und protestiert gegen das polizeiliche Vorgehen mit dem Hinweis auf die gewährte Religionsfreiheit und das Staatsgrundgesetz vom 4. März 1849. Minister Bach schlägt nun dem Ministerrat den Entwurf einer allerhöchsten Entschließung vor, wonach die Deutschkatholiken nicht als religiöser, sondern als politischer Verein zu erklären und als solcher dann zu verbieten seien. So wäre jeder Schein der Gesetzlichkeit genommen, die Sicherheitsbehörden hätten eine feste Handhabe und den Bekennem des katholischen Kultus wäre Beruhigung und Genugtuung zuteil. In einer Sitzung des Reichsrates unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten v. Kübeck referierte Buol im selben Sinn. Der Reichsrat trat in seinem Gutachten dem Vorschlag des Innenministers bei. Buol hatte besonders die Staatsgefährlichkeit der Deutschkatholiken betont und hiezu Äußerungen des deutschkatholischen Predigers Dowiat in Berlin ausgewertet, wonach die letzten Ziele der Deutschkatholiken politischer Natur seien. Der von Bach vorgeschlagene Entwurf fand die kaiserliche Genehmigung und am 16. November 1851 erscheint nun die Verordnung des Ministeriums für Inneres, welche das Verbot der Genossenschaften der „sogenannten Lichtfreunde, Deutschkatholiken, Freien Christen u. ä. Vereine“ ausspricht. Die Erhebungen haben ergeben, so sagt die Verordnung, daß es sich um politische Bestrebungen handle, die unter dem Decknamen der Religion verfolgt würden. Ihre Ziele seien die Untergrabung der Grundlagen der Gesellschaft und des Staates, daher sind mit allerhöchster Entschließung diese Vereine aufzulösen, ihre Neugründung ist untersagt. Wer eine Tätigkeit im Sinne derselben ausübt, ist nach den Ausnahmegesetzen oder den bestehenden Strafgesetzen zu verfolgen. Die Anmaßung geistlicher Funktionen bei Geburts-, Trauungs- und Sterbefällen wird bestraft, Beerdigungen müssen unter polizeilicher Aufsicht ganz still erfolgen. Die Taufe von Kindern deutschkatholischer Eltern muß der Geistliche der ortsüblichen Konfession vornehmen und die Erziehung der Kinder in einer anerkannten Konfession ist sicherzustellen. Die Polizeibehörden müssen darüber w^achen, daß sich die Deutschkatholiken nicht etwa unter einem anderen Namen wieder sammeln. Eingegangene Ehen von Deutschkatholiken sind als Konkubinate zu betrachten, ausländische Anhänger der Sekte sind auszuweisen, Inländer scharf zu überwachen. Das erzbischöfliche Ordinariat und die beiden Konsistorien der evangelischen Kirchen werden vom Verbot verständigt und ermahnt, auch ihrerseits an der Überwachung der Deutschkatholiken teilzunehmen und die Geistlichen in diesem Sinne anzuweisen. Der Wiener Polizeihauptmann Weiß-Starkenfels erhält zugleich den Auftrag, solche Vereine, falls sie irgendwo noch bestünden, aufzuspüren, aufzulösen, die Papiere zu beschlagnahmen, die Leiter und Agenten der polizeilichen oder kriegsrechtlichen Bestrafung zuzuführen, die Überwachung der Inländer, die Ausweisung der Ausländer durchzuführen 1). Anläßlich einer neuen Hausdurchsuchung beim Vorstand Peßnegger wurden die Mitgliederlisten konfisziert. Peßnegger gab zu, gegen 50 Taufen vorgenommen zu haben, über die er aber keine Aufzeichnungen zu besitzen vorgab. Nun wird der Magistrat mit Nachforschungen beauftragt, ob die Kinder von Deutschkatholiken etwa seither vom evangelischen Pastor seien getauft worden, sonst muß die Taufe vom katholischen Pfarrer nachgetragen werden. Auch die Sterbefälle soll der Magistrat ermitteln und zwecks Eintragung in die Matriken den katholischen Pfarrämtern mitteilen. Die Kirchenbehörden werden desgleichen ersucht, unterlassene Tauf handlungen nachzutragen und bei der Kindererziehung und Beaufsichtigung mitzuwirken 2). Damit war das offizielle Ende der deutschkatholischen Gemeinde in Wien gekommen. Schon vorher konnte der Stadthauptmann melden, daß sich ihre Zahl durch Rücktritte zur J) Zuschrift des Ministeriums für Inneres an den Stadthauptmann vom 22. November 1851. 2) Nach dem Bericht der WKZ. vom 23. Dezember 1851 gab es in Wien und Graz einige hundert solcher von Deutschkatholiken getaufter Kinder.