Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 49. Erwin M. Auer (Wien): Die Ordensgarderobe. Ein Beitrag zur Geschichte der kleinen Wiener Hofdienste. (Mit 1 Tafel.)
16 Auer, insoferne getroffen, als ein Vließornat als Malerornat in der Kabinettskanzlei hinterlegt wurde. Auf diese Weise konnte die Entlehnung des Ornates gegen einen schriftlichen Revers jederzeit und leichter bewerkstelligt werden *). Im Jahre 1905 war der Malerornat schon in einem derartigen Zustand, daß er restauriert werden mußte2). Stand bis 1908 immer nur ein Malerornat in Verwendung, auf dessen Rückgabe durch den Vor- entlehner der ansuchende Künstler oft längere Zeit warten mußte 3), so erzwangen die zahllosen künstlerischen Festgaben für die Kaiserjubiläen, daß zuerst ein zweiter, später sogar ein dritter Ornat 4) für Maler, Plastiker, Medailleure und Zeichner von Gobelinkartons bereitgestellt wurden. Die Entlehnungen der Malerornate setzten auch in den Weltkriegsjahren nicht aus und die Übernahmsinventur des Jahres 1920 stellt neben dem damals sich in der Kabinettskanzlei befindlichen Malerornat noch einen weiteren Ornat als an einen Maler ausgegeben fest 5). Zugänge und Abgänge an Objekten waren in dem hier zu behandelnden Zeiträume auf ein Mindestmaß beschränkt. Am 26. Mai 1884 kamen noch die alte Tischwäsche des Toison-Ordens als letzter Brüsseler Bestand sowie drei aus der Zeit der Polstertaxen herrührende Samtpolster zugleich mit dem Ornate des an Franz Joseph verliehenen Hosenband-Ordens in die Vließgarderobe6). Der Ornat des gleichen Ordens, welchen Kronprinz Rudolf anläßlich seiner Investitur trug, scheint erst 1904 im Bestand der Toison- Ordens-Garderobe auf, welche ja nach dem letzten Absatz des § 3 der Instruktion für die Ordensgarderobe auch die dem Kaiser gehörenden Ornate fremder Orden zu betreuen hatte 7). Im Jahre 1864 nahm die Kanzlei des Stephans-Ordens die bisher in der Ordensgarderobe verwahrten Einzelteile des Schatzes, wie Kupferplatten mit Stichen zu den Statuten, alte Siegelstempel und anderes in die Kanzlei zurück 8). Die in der Vließgarderobe befindlichen sechs älteren Kollanenpolster des Toison-Ordens wurden am 17. Juli 1869 an die Burghauptmannschaft wohl im defekten Zustande abgegeben9). Wenig mehr als 50 Jahre waren seit der letzten Verwendung der Ordenskleider vergangen, als an die museale Ausstellung der Ornate gedacht wurde. Vorerst mußten jedoch einige Restaurierungen ins Auge gefaßt werden, die jedoch nicht mehr den Garderoberinnen, sondern den Kunststickerinnen des Hofes an vertraut wurden. Die Schadhaftigkeit an dem Ornate des Wappenkönigs schreitet in einem solchen Grade fort, dass zum Zwecke der Conser- virung dieses kostbaren Inventarstückes eine durchgreifende Restaurirung nahezu unabweislich erscheint, berichtete der Greffier des Toison-Ordens 1895. Die Leiterin der Kunststickerinnen Hermine Bach gab im Zusammenhänge mit diesem Bericht folgendes Gutachten über den damaligen Erhaltungszustand der Vließgarderobe anläßlich der Vorlage des Voranschlages ab: eine unbedingte Verpflichtung, denselben einzuhalten, könnte ich jedoch darum nicht übernehmen, weil derartige alte und vermorschte Stücke den Grad ihrer Zerstörtheit erst, während sie in Arbeit sind, genau erkennen lassen. ... Es wurden mir auch zwei Kopfbedeckungen gezeigt, welche stark zerrissen, nur durch Erneuerung des ganzen Sammtes und auch eines Theiles der Stickerey b Z. 13/TO/1895. 2) Z. 33/TO/1905. 3) So mußte der Bildhauer Joseph Kassin über ein Monat auf die Rückgabe des Malerornates warten, den er für die heute im Stiegenhaus des HHStA aufgestellte Kaiserbüste benötigte (Z. 19/TO/1902). 4) Z. 38/TO/1908, 19/TO/1909; 20/TO/1909. 5) KhM, MD-Inventar II, S. 3. — Der letztgenannte Ornat kam nicht mehr in die Garderobe zurück, sondern wurde dem Greffier des Toison-Ordens Dr. Rudolf Payer von Thurn in dessen Wohnung abgeliefert. Payer brachte 1927 den Ornat in die Ordenskanzlei (Z. 23/TO/1927) und verwahrte ihn in einer eigenen Kommode (Z. 13/TO/1928). Nach einer unerläßlichen Instandsetzung (Z. 4 und 14/TO/1935) wurde dieser Ornat 1935 an den Souverän des Ordens übermittelt (Z. 4/TO/1935; vgl. oben S. 15 Anm. 2). 6) Vgl. die Nachtragsbemerkungen in Z. 4/TO/1883. 7) Z. 7/TO/1904. 8) KhM, MD-Inventar I, S. 103 f. 9) Z. 4/TO/1883, KhM, MD-Inventar I, S. 25.