Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
I. Archiv-Wissenschaften - 5. Karl Lechner (Wien): Das Archiv der ehemaligen Propstei Gloggnitz, seine Geschichte und seine Bestände, nebst Regesten
Archiv der ehemaligen Propstei Gloggnitz. 57 des Gutsinhabers von Gloggnitz befindliches Urbar des 14. Jahrhunderts, auf das wir später ausführlich zu sprechen kommen werden *). Anläßlich der archivalischen Vorarbeiten für die Herausgabe der Landgerichtskarte hat K. Giannoni im Jahre 1906 auf Schloß Gloggnitz zwei „Pergament-Kodizes des XIV. Jahrhunderts“ gefunden, das eben genannte Urbar und ein Copialbuch. Dann berichtet er weiter: „sonstige Archivalien — es sollen die Urkunden der Propstei Gloggnitz sein — befinden sich im Besitze der Dr.-Vinzenz-Richterschen Erben auf Schloß Pottschach“ 2). Eine Überprüfung dieser Angaben fand nicht statt und später verlor sich auch die Spur des genannten Urbars; es galt als verschollen. Nachforschungen nach den erwähnten Archivalien ergaben kein Resultat. Es handelte sich um die minderjährigen Enkel des im Jahre 1901 verstorbenen Gerichtsadvokaten Dr. Vinzenz Richter, der das Schloß Gloggnitz von 1876 bis zu seinem Tode besaß; von den genannten Erben wurde das Schloß im Jahre 1907 verkauft, worauf es nach mehrmaligem Besitzwechsel Ende 1928 an die Gemeinde Gloggnitz überging. Ein Archiv befand sich nicht mehr darunter. Wenig bedeutende Akten- und Bücherbestände des 18. und 19. Jahrhunderts der ehemaligen Propstei wurden der Gemeinde Gloggnitz von nicht ganz einwandfreier Seite zum Kaufe angeboten und wurden im Jahre 1932 dem niederösterreichischen Landesarchiv übergeben. Anläßlich von Einvernahmen eines der oben genannten Enkel, des im Schloß Pottschach wohnhaften Herrn Arthur Richter, durch das Archivamt in den Jahren 1924 und 1932 war die Rede von einem Codex vom „Jahre 1364“, einigen jüngeren Büchern und „zirka 150 verschiedenartigen Urkunden, die sich auf das Kloster Formbach beziehen“. Das von Giannoni erwähnte Urbar und das Copialbuch wurden als nicht vorhanden bezeichnet3). Daraufhin machte ich mich im Sommer 1932 selbst auf nach Schloß Pottschach, wo ich auf das liebenswürdigste aufgenommen wurde. Die vorhandenen „Gloggnitzer Archivalien“, deren Besitzer nach wie vor Herr Arthur Richter war, wurden mir vorgelegt. Sie stellten sich auf den ersten Blick als ein selten geschlossener Bestand an Urkunden dar, die sich fast durchaus auf die Propsteiherrschaft Gloggnitz, aber in den älteren Stücken auch auf das Mutterkloster Formbach selbst bezogen. Die Urkunden reichen vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Nach einer flüchtigen Ordnung und Bestimmung der Archivalien wurden diese als dauernde Leihgabe dem niederösterreichischen Landesarchiv übergeben, wo nun die genaue Bearbeitung erfolgte. Ich gebe nachstehend kurze Regesten, wobei die Urkunden des 12. und 13. Jahrhunderts sowie einzelne bedeutsamere Stücke ausführlicher behandelt werden. Auf ein Verzeichnis vollständiger Regesten mit Siegelbeschreibung und Besprechung der sehr interessanten Dorsualvermerke kann aus Mangel an Platz nicht eingegangen werden. Sie sind im niederösterreichischen Landesarchiv zu ersehen 4). 1. [1108—1127] Erzbischof Konrad I. von Salzburg bestätigt einen Tausch mit dem Abt Wemto von Formbach. Darnach gibt der Abt durch den Edlen Hugo von Pfolsau für den ganzen Zehent in der Pfarre Neunkirchen (mit Ausnahme des Anteiles des Pfarrers) Güter und Hörige zu Viehhausen und Antiesenhofen, den halben Zehent in Antiesen sowie drei Fuhren Wein, von denen zwei zur Feste Friesach, eine nach Gloggnitz jährlich zu leisten sind. Zeugen: Reginbertus de Rillte, Pern- hardus et Hartuuichus de Roringmos, Eberhardus de Herrnhüs, Volkmer de Reiten, Engilscalchus de Grauendörf, Chimradus et Reginbertus de Sechirchen, Adalbero de Dietrammingen, Heinricus x) Vgl. M. A. Becker, a. a. O. S. 33 ff. 2) Mitteilungen des k. k. Archivrates, I. Bd., 1914, S. 130 f. 3) Akten des Österr. Archivamtes aus den Jahren 1924—33 im Haus-, Hof- u. Staatsarchiv Wien. 4) Die Nummern am Ende der Regesten beziehen sich auf die Inventarnummern, die die Stücke am Ende des 18. Jahrhunderts in Gloggnitz erhielten und mit denen sie in einem 1790 angelegten, sehr sorgfältig angelegten „Index über die Kanzleischriften“ (siehe unten S. 89) eingetragen sind. Das Zeichen (*) bedeutet, daß die betreffende Urkunde in dem bereits erwähnten Inventar vom Jahre 1566 verzeichnet ist (siehe oben S. 56).