Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

IV. Quellen und Quellenkunde - 36. Plans Kramer (Innsbruck): Agostino Patrizzis Beschreibung der Reise des Kardinallegaten Francesco Piccolomini zum Christen tag in Regensburg 1471

550 Kramer, Reise durch das alte Tirol sehr aufschlußreich. Man erfuhr manche Tatsache erst aus dieser Quelle zum erstenmal. Ich habe den Eindruck, daß die Reisebeschreibung durch Süddeutschland und die Schweiz nicht diese Bedeutung hat, auch gutenteils kürzer gehalten ist, daß sie aber immerhin interessant und kulturhistorisch wichtig ist. Ich wähle nun die Methode, in kürzerer Form über die Eindrücke zu berichten, die Patrizzi und auch Campano auf ihrer Reise hatten, und alle wichtigeren Stellen im Urtext in den Anmer­kungen zu bringen. Unwichtige Partien, in welchen nur gesagt wird, daß die Reisegesellschaft vom Ort A zum Ort B und hierauf zum Ort C kam, und die Schilderung der ganzen Verhand­lungen in Regensburg werden ausgelassen, letztere schon deswegen, weil die Literatur über den Christentag in Regensburg reichlich und ausführlich ist und das positive Ergebnis der endlosen Verhandlungen tatsächlich sehr gering war 1). Doch zuerst noch einiges über den politischen Hintergrund und die Personen der Reisebeschreibung 2). Unter dem gewaltigen Kriegsfürsten Sultan Mohammed II. (1451—81), der sich rühmen konnte, zwölf Reiche und mehr als 200 Städte erobert zu haben, stieg die türkische Gefahr für Ost- und Südosteuropa, aber auch für Italien und das deutsche Reich immer bedrohlicher herauf. Das christliche Abendland war in Uneinigkeit zerfallen. Die Frage des utraquistischen, also häretischen Nationalkönigtums des Georg Podiebrad von Böhmen, die Kämpfe zwischen den einzelnen deutschen Territorialdynastien, auch zwischen den deutschen Ständen — hie Fürsten, hie Städte —, die Rivalität zwischen Frankreich und dem immer mächtiger emporstrebenden Herzogtum Burgund, die Kriege der italienischen Staaten untereinander, um nur einiges zu nennen, beschäftigten das Interesse der europä­ischen Politiker oft mehr. Aufgabe der beiden universalen Gewalten der mittelalterlichen Welt, des Papsttums und des Kaisertums, wäre es gewesen, das Abendland gegen die moham­medanische Gefahr zu einigen. Waren doch schon die südöstlichen Länder des deutschen Reiches bedroht, die noch dazu österreichische Stammlande Kaiser Friedrich III. selbst waren, so daß dessen Interesse an der Abwendung der Gefahr ein doppeltes sein mußte. Aber auch Italien, das Stammland des Papsttums, schien nicht mehr sicher zu sein. Es war, wenigstens von heute aus gesehen, der Fehler des Papsttums des 15. Jahrhunderts, daß es die Kräfte der katholischen Christenheit, darunter auch Ungarns, zu viel gegen das utra- quistische Böhmen lenkte und sie dadurch zu viel von der Türkenabwehr abzog. Kaiser Friedrich III. schlug schon während seines zweiten Rombesuches um die Wende der Jahre 1468/69 Papst Paul II. einen Kongreß in Konstanz vor, wo Papst und Kaiser und die Fürsten Europas die Möglichkeit des gemeinsamen Kampfes gegen die Türken beraten sollten. Die Stadt war schlecht gewählt, denn der Name Konstanz hatte seit der berühmten Kirchenversammlung gerade an der Kurie einen schlechten Klang, und Paul II. befürchtete offensichtlich, daß die Türkentagung in ein Konzil übergleiten und dabei die Frage der Reform der Kurie und Kirche wieder hervorgeholt werden könnte. Er lehnte den Plan ab und wollte statt dessen die europäischen Fürsten im Herbst 1469 nach Rom zu Besprechungen über die Türkenabwehr einladen; sie kamen aber nicht zu­Über die Schrift Patrizzis vgl. Hans Kramer, Untersuchungen über die „Commentarii“ des Papstes Pius II., MIÖG. 48. Bd., 1934, S. 65, Anmerkung 20. q Vgl. Bachmann, a. a. O. S. 347 ff. Jakob Reissermayer, Der große Christentag zu Regens­burg 1471, Programm zum Jahresbericht über das k. neue Gymnasium zu Regensburg, 2 Teile, Regens­burg 1887/88; Victor v. Kraus, Deutsche Geschichte im Ausgang des Mittelalters (Bibliothek Deutscher Geschichte), 1. Bd., Stuttgart-Berlin 1905, S. 521 ff. Ludwig v. Pastor, Geschichte der Päpste, 2. Bd., Freiburg 1904, 3./4. Auflage, S. 436 ff. N. Jorga, Geschichte des Osmanischen Reiches (Geschichte der europäischen Staaten, 37. Werk), 2. Bd., Gotha 1909, S. 156 f. Vgl. hier auch die Darstellung des kriegerischen Vordringens der Türken gegen Europa in diesen Jahren. 2) Die Einführung zu dieser Reisebeschreibung hat schon Dengel, S. 207—216 gegeben, ich suche seine Darlegungen nicht zu wiederholen, sondern manches zu ergänzen oder von einem anderen Gesichts­punkt aus darzustellen. Es sei jedoch ausdrücklich auf viele Einzelheiten in der genannten Einführung Dengels verwiesen,

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