Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

I. Archiv-Wissenschaften - 3. Dyonis Jánossy (Budapest): Das Archivgesetz in Ungarn

20 Jánossy, vornehmlich als Aufbewahrungsort der zum laufenden Geschäftsgang nicht mehr benötigten Registraturbeständen der Regierungsbehörden (Ministerien) sowie der ähnlichen Archive des vormaligen Ständestaates bestimmt ist, wurde das Recht der Entscheidung zuerkannt, auch für die Übernahme von solchen Archiven oder losen Schriften zu sorgen, deren Schutz und Aufbewahrung von Fall zu Fall nach Ermessen der Archivleitung zur Zugänglichmachung für die Geschichtsforschung als notwendig erscheint. Die kontraktmäßige Übernahme von Privatarchiven erfolgt lediglich nach Festsetzung der Bedingungen, unter welchen die grundlegende Anerkennung des Eigentumsrechtes eine der wichtigsten ist. Bezüglich Forschungen für Amtszwecke kann das Staatsarchiv nur im öffentlichen Interesse seitens der Regierungsbehörden verpflichtet werden; dagegen werden Privatpersonen alle Erleichterungen gemacht, um ihnen die historischen Bestände entsprechend zugänglich zu machen *). Im Kapitel III, § 11 wird dem Kultusminister das Recht eingeräumt, Distriktual- archive, welche dem Staatsarchiv zu unterstellen sind, nach Maßgabe der Notwendigkeit aufzustellen. Der Gedanke der staatlichen Distriktualarchive tauchte schon vor einem halben Jahrhundert auf in der Überzeugung, daß Archivalien womöglich in jenem regionalen historischen Raum zu bewahren wären, in welchem sie entstanden sind. Mit dieser Verfügung bezweckte die Kodifikationskommission des Staatsarchivs den Schutz aller nicht staatlichen und nicht munizipalen Archivbestände zu sichern. Jedoch wurde aus finanziellen Rück­sichten allein das Prinzip im Archivgesetz festgesetzt; die Durchführung sollte erst später nach Möglichkeit erfolgen. Es wird geplant, das Land nach geographischen Raumeinheiten zu teilen und den Standort der Distriktualarchive mit dem Sitz der Universitäten in Einklang zu bringen. Das Gesetz legte ferner die Grundzüge der Tätigkeit der übrigen staatlichen bzw. munizipalen Archive dar. Das sind eben das Kriegsarchiv, die bei den Domkapiteln oder Konventen aufbewahrten loca credibilia, die Komitatsarchive und die Archive der Städte, welche mit Munizipalj urisdiktion bekleidet sind. Weiters wurde Vorsorge getroffen für die Archive der Städte, welche der Komitatsjurisdiktion unterstellt sind, und für die Gemeindearchive. Auch der Schutz und Zugänglichmachung der Archive und Schriftensammlungen von historischem Quellenwerte wurde gewährleistet, welche in Museen oder in öffentlichen Bibliotheken auf bewahrt werden. Wo aber die Größe der Bestände es er­fordern sollte, sind 2) auf Verordnung des Kultusministers qualifizierte Archivare anzustellen. Als eine der schwierigsten Fragen galt es, den Schutz und die Forschung in den Privatarchiven zu regeln. Die Bezeichnung Privatarchiv wird in einer sehr weitgehenden Auslegung des allgemein gebrauchten Begriffes benützt, weil hier nicht nur auf die Familien- oder auf die persönlichen Archive Bedacht genommen wird, sondern überdies auf sämtliche Vereins- und Gewerkschaftsarchive, ferner auf die Archive der Banken, Handelsunternehmungen und Industriebetriebe usw. Die Kodifikationskommission vertrat die Ansicht, daß es nicht erforderlich wäre, für alle Schriftenbestände solchen Charakters staatliche Schutzmaßnahmen zu treffen, sondern nur für diejenigen, welche für die Forschung von Wichtigkeit erscheinen. Die letzteren wurden zu Privatarchiven vom öffent­lichen Interesse erklärt und der Schutz und die Forschung in denselben in der Weise gesichert, daß das Eigentumsrecht mit dem öffentlichen Interesse nach Tunlichkeit in Einklang gebracht wurde. Dem Eigentumsrecht mußten natürlich gewisse Schranken gesetzt werden, indem die Eigentümer verpflichtet wurden, die Forschung in ihren Schriftenbeständen, welche vor 50 Jahren entstanden sind, für Privatpersonen zuzulassen. Jedoch versuchte man die Privatforscher von solchen Archiven womöglich fernzuhalten und nur der wissenschaftlichen Forschung den Zugang zu sichern, indem die Forschungs­erlaubnis allein dem Landesoberinspektor der Archive eingeräumt wurde. Damit ferner die Eigentümer mit der Forschung nicht an Ort und Stelle behelligt werden, wurde ihnen *) Idem, Kapitel III, §§ 6 bis 10. 2) Idem, Kapitel IV, V, VI, VII, VIII, §§ 12 bis 30.

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