Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
I. Archiv-Wissenschaften - 2. A. C. Breycha-Vauthier (Genf): Dokumente um ein Leben. Die „Bertha-von-Suttner-Sammlung“ der Bibliothek der Vereinten Nationen
Berta-von-Suttner-Sammlung. 11 Aufsätzen, besitzt unsere Sammlung das Originalmanuskript ihrer Memoiren, das gegenüber dem gedruckten Band manche Änderung aufweist. 5. Zu dem historisch interessanten Teil der Sammlung gehören zweifellos die an sie gerichteten Briefe. In ihren Memoiren heißt es (Seite 307) „es gibt doch eigentlich nichts Interessanteres als so alte, authentische Briefe. Es zeigt sich darin, wie sich Ideen später verwirklichen und Ereignisse, die sich später ab wickeln, schon vorausgedacht worden sind“. Beim Durchlesen dieser Briefe sind wir immer wieder überrascht, wie die darin geäußerten Meinungen und Urteile in vielem das ihnen damals Entgegenstehende überlebt haben. Mehrere Faszikel enthalten die Briefe von Frédéric Passy, dem hochgeschätzten Nationalökonomen und französischen Nobelpreisträger. Sie geben eine Jahrzehnte umfassende gute Schilderung der Entwicklung der öffentlichen Meinung seines Landes. Zu den regelmäßigen Korrespondenten gehörte der russische Soziologe N o v i c o w sowie BjörnstjerneBjörnson. Mit dem Gründer des Roten Kreuzes Henri Dunant unterhielt sie zwischen 1895 bis 1903 eine ausgedehnte Korrespondenz, die manches über die Geschichte dieser erfolgreichsten internationalen Organisation sagt. Die Briefe von Theodor Herzl zeigen die menschliche Seite dieses großen Kämpfers. Albert Apponyis und Hermann Bahrs Briefe führen uns aus der großen Welt heim zu denVölkern im Donauraum und zu der besonderen Bedeutung, die gerade für sie die Friedensfrage besaß, indes aus den Seiten einer Marie Ebner-Eschen- bach und Peter Roseggers der Glaube der Dichter spricht: Jener Dichter, deren Ideale sich nachträglich besehen, oft als weit weniger weltfremd erwiesen haben als die mancher Großen, die aus einer Verwirrung der Begriffe heraus als Realpolitiker bezeichnet werden und deren Werke doch gerade der harten Realität nicht Stand halten. Nennen wir hier noch von ihren zahllosen Korrespondenten: den Schlachtenmaler und Pazifisten Wassilji Wereschagin, Georg Brandes und Andrew Carnegie. Mit einem anderen Reichsten dieser Welt, dessen Gedächtnis gleichfalls große wohltätige Stiftungen verewigen, mit Alfred Nobel, unterhielt sie einen ausgedehnten Briefwechsel. Sie, die in ihrer Jugend kurze Zeit seine Sekretärin gewesen war, wurde ja gegen Ende ihres Lebens die erste Frau und der erste Österreicher, dem der Friedens-Nobelpreis zugesprochen wurde. Weniger bekannt ist aber, wie es ihren steten klugen Bemühungen zu danken ist, daß sich ihr großer Freund Alfred Nobel schließlich zu dieser zukunftsreichen Stiftung entschloß; das vorliegende Material enthält dazu manche Belege. Die wichtigen Briefe sind durch einen Zettelkatalog aufgeschlossen. Zu diesem Material kommen aber noch die zahlreichen Faszikel von bloß chronologisch und nach Absendern geordneten Briefen aus den Jahren 1886 bis 1907; sie alle zeigen, wie zu dieser Zeit Fäden aus der ganzen Welt in Wien bei Bertha von Suttner zusammenliefen. Ein großer Teil dieser Korrespondenz steht mit ihrer Arbeit am Zustandekommen der Interparlamentarischen Union im Zusammenhang. Viele Briefe betreffen ihr anderes großes Werk, den Kampf zugunsten der beiden Haager Friedenskonferenzen. Inwiefern die Meinung berechtigt ist, daß bei der Botschaft, mit der Zar Nikolaus die erste dieser Konferenzen einberief, der Einfluß, den sie damals durch ihre Werke auch in Petersburg ausübte, mitbestimmend war, mag eine kritische Prüfung des vorhandenen Materials beantworten. Jedenfalls hat ihre Wirksamkeit im Verlauf dieser beiden großen Weltbegebenheiten so recht, auch die einzigartige organisatorische Begabung dieser Frau gezeigt, von der unsere Zeit, mit ihren unvergleichlich entwickelteren technischen Mitteln, mit denen aber das Menschliche nicht immer so recht mehr mitkommt, so manches lernen könnte. Erkenntnisse, wie, daß „dieses gewisse Gemeinsamkeitsdenken der ganzen Kulturwelt, welches in den letzten Jahren entstanden ist, sich nicht gleichzeitig von mehreren Gegenständen erfüllen läßt“ (aus ihrer Zeitschrift „Die Waffen nieder“, 1898/V), sind heute wie damals wahr. 6. Faszikel mit Gedichten, mit Ehrungen und mit groben Briefen und Kritiken, von denen manche in einer eben erst abgeschlossenen Epoche geschrieben hätten sein können, vervollständigen die Dokumente um Bertha von Suttner. Speziell sei noch die Photo-