Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
I. Archiv-Wissenschaften - 5. Karl Lechner (Wien): Das Archiv der ehemaligen Propstei Gloggnitz, seine Geschichte und seine Bestände, nebst Regesten
54 Das Archiv der ehemaligen Propstei Gloggnitz. Seine Geschichte und seine Bestände. Von Karl Lechner (Wien). In der Mitte des 11. Jahrhunderts schenkt eine „venerabilis domina Himiltrud“, die dem Geschlecht der später sich nach Formbach-Neuburg-Pütten nennenden Grafen angehört, der Kirche von Formbach (Vornbach) am linken Ufer des Inn eine Reihe von Eigengütern. Von einem Kloster ist zunächst keine Rede, aber die Formulierung ,,in usus ibidem deo servientium“ deutet doch wohl auf eine kleine religiöse Gemeinschaft hin, die dort an der Kirche lebte *). Himiltrud empfing Graf Tiemo aus ihrer Sippe zum Vogt für sich und die Kirche; dabei wird die Nachfolgerschaft in der Vogtei genau geregelt. Der vierte Vogt in der Erbfolge, Graf Ekbert (I. von Formbach), beruft an die Kirche Mönche unter dem Abt Beringer, der von Bischof Ulrich von Passau im Dezember 1094 konsekriert wird 2). Graf Ekbert machte nun mit seiner Gemahlin Mathilde, der Erbtochter des karantanischen Markgrafen Gottfried, große Schenkungen an die neue Abtei aus seinem und seiner Gattin Erbgut. Darunter gab er „in orientali plaga“ den Ort und die Pfarrkirche Neunkirchen, jene unter dem Schlosse Pütten mit den dazugehörigen Zehenten, das Dorf Wörth „et alium locum iuxta fluuiolum Glocniza, ubi modo cella constructa est, cum pratis et silva usque ad Chlamma .............et dimidium houbam in villa, que dicitur Glocniza“; ferner Güter in den O rten Payerbach, Schmiedsdorf, Pottschach, Würflach. So der Schreiber des ältesten Formbacher Traditionskodex aus der Mitte des 12. Jahrhunderts3). Eine zweite Aufzeichnung, gleichfalls noch aus dem 12. Jahrhundert, kündet das gleiche 4). Graf Ekbert I. ist 1109 gestorben. Auch sein gleichnamiger Sohn, der mit Wilbirg, einer Tochter des steirischen Markgrafen Otakar (II.), vermählt war, vermehrte den Besitz dort und ließ das ganze dort dem Kloster Formbach gehörige Gebiet genau festlegen 5). Um die von Graf Ekbert I. gegebenen, nach Eigenkirchenrecht beanspruchten Zehenten der Pfarre Neunkirchen sollten sich bald Streitigkeiten mit dem zuständigen Erzbischof von Salzburg entwickeln, der aber gegen anderwärtige Entschädigung im Jahre 1146 darauf verzichtete und sie „an die zu Formbach gehörige alte Zelle Gloggnitz“ („ad monachorum Formbacensium antiquam cellam in parrochia nostra sitam in loco Clocniz dicto“) gab 6). x) Urkundenbuch des Landes ob der Enns (in Hinkunft OÖUB.) I, S. 625. Vgl. über Formbach: A. Brackmann, Germania Pontificia I (1911), S. 185 f., und die dort angegebene Literatur; ferner P. Lindner, Monasticon Salisburgense, S. 273 ff.; J. Wimmer, Kloster Formbach (Passauer Theol. Monatsschrift VI/1896, S.9—11); Die Kunstdenkmäler von Bayern, Niederbayern IV.Bd. (Passau), 1920, S.255 ff.; L. H. Krick, Die ehemaligen stabilen Klöster des Bistums Passau. Chronologische Reihenfolge ihrer Mitglieder, Passau 1923, S. 175 ff. — Über Himiltrud vgl. O. v. Düngern, Genealogisches Handbuch zur bairisch-österreichischen Geschichte, S. 44. a) OÖUB. I, S. 626. 3) Bayrisches Hauptstaatsarchiv, Formbach Lit. 1; OÖUB. I, S. 626 f.; Brackmann, a. a. O. Der Codex ist bis Ende des 13. Jahrhunderts fortgeführt. Lit. 2 ist gleichfalls ein Traditionskodex, eine erweiterte Abschrift von Lit. 1 und reicht bis 1289. Ich verdanke wertvolle Angaben über Formbacher Archivalien den liebenswürdigen Auskünften der Generaldirektion des B. H. St. Archives in München. 4) OÖUB. I, S. 780 f. Statt der halben Hufe heißt es hier eine ganze! s) Ebenda S. 643 ff. •) Salzburger Urkundenbuch (in Hinkunft SUB.) II, Nr. 247.