Az Eszterházy Károly Tanárképző Főiskola Tudományos Közleményei. 1990. Germanistiche Studien (Acta Academiae Paedagogicae Agriensis : Nova series ; Tom. 20)
Alexander von Pechinann (München), Zur politischen Theorie des späten Schelling
15 ALEXANDER VON PECHMANN (München) ZUR POLITISCHEN THEORIE DES SPÄTEN SCHELLING Aus zwei Gründen bedarf es m. E. einer Korrektur des bisherigen Schellingbildes. Schelling war für die politische Theorie bislang weitgehend uninteressant, weil er als einziger Vertreter des deutschen Idealismus als ein "unpolitischer Denker" galt. Er wurde einesteils dafür gefeiert, weil er nach den Verirrungen in die Politik die Philosophie wieder zu ihrem wahren Gegenstand zurückgeführt habe. Anderenteils wurde aus dieser Unpolitik ein politischer Standpunkt gefolgert: seine Philosophie artikuliere die nachrevolutionäre Abkehr des Bürgertums von der Politik. Dies Bild ist grundlegend zu korrigieren. Die jüngst erfolgte Edition des Tagebuchs im Revolutionsjahr 1848 aus dem Berliner Nachlass zeigt, dass Schelling fast täglich die aktuellen Geschehnisse notiert, sie kommentiert und reflektiert hat. "Schelling war", schreibt dazu der Herausgeber Hans Jörg Sandkühler, "entgegen dem Anschein und nicht wenigen Interpretationen, ein politischer Philosoph", und hatte eine konsistente politische Theorie. Der zweite Grund zur Revision betrifft die politische Linke und entspringt den gegenwärtigen dramatischen Veränderungen der geistig-politischen Landschaft und der Argumentationslage, die die Linke herausfordern, einen Neuzugang zur konservativen Theorie zu finden, zu deren Vorläufern auch Schelling gehört. Spätestens seit dem Werk von Georg Lukács über die "Zerstörung der Vernunft" stand der "späte Schelling" unter dem Verdikt, einer der ersten gewesen zu sein, die durch ihren "Irrationalismus" "gedankliche Vorarbeit zur NS-Weltanschauung" geleistet hätten. Lukács' Diktum, das Pro und Contra zur Vernunft sei das "entscheidend wesentliche Moment ... des Klassenkampfes in der Philosophie"/' prägte die Haltung der marxistisch argumentierenden Philosophie zu Schelling. Mag es damals für diese politisch motivierte Entgegensetzung gute Gründe gegeben haben, so fehlen heute diese Bedingungen. Die marxistische Philosophie und Gesellschaftswissenschaften haben die Möglichkeit, in einen Diskurs zu treten, in dem nicht mehr politische Grundsätze entscheiden, sondern die Wahrheit und das bessere Argument. Dies muss Folgen haben bei der Beurteilung auch von Schöllings philosophischem Werk. Schöllings Denken war nie unpolitisch; aber es war von Beginn an antipolitisch. Schon 1796, zur Zeit der weiten Begeisterung für Rousseau und die demokratische Staatsform, hatte er im "Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus" verkündet: "jeder Staat" - ob Monarchie