Az Eszterházy Károly Tanárképző Főiskola Tudományos Közleményei. 1993. Germanistische Studien. (Acta Academiae Paedagogicae Agriensis : Nova series ; Tom. 21)
Heinrichsen, Heinrich: Literaturwissenschafi und Psycholinguistische Aspekte zur Interpretation von Lessings "Nathan der Weise"
1. Einleitung Psychotherapie und Literatur - die Verbindung dieser beiden Begriffe ist qleichzeitig hochaktuell und uralt. Im Gegensatz zur Psychoanalyse, deren Beziehung zur Literatur bereits Freud u. a. in seinem Aufsatz "Der Wahn und die Tráume in W. Jensens Gradiva" 1 hergestellt hat, ist die Beziehung zwischen psychotherapeutischen Erkenntnissen und der Literatur bislang zu kurz gekommen. Werden, so lautet die Frage, die ich in dieser Arbeit stelle, in der Literatur und speziell in álterer Literatur, Sprachformen verwendet, un.d womöglich sogar bewuBt verwendet, die heute in der direktiven Psychotherapie ebenfalls von Bedeutung sind? Der Zusammenhang zwischen den beiden Disziplinen erscheint nach der Lektiire der Werke von Watzlawick 2 nicht mehr so fraglich, denn das revolutionár neue an den Arbeiten des amerikanischen Therapeuten ist ja gerade, daB hier uralte Formen der Rhetorik als therapeutische Interventionen identifiziert werden. Demnach aber muB es umgekehrt möglich sein, mit eben diesen sprachlichen Mitteln Literatur zu analysieren: aus einer psychologisch orientierten Perspektive. Ich sagte bereits, daB die Verbindung von Literatur und Psychotherapie uralt ist. Watzlawick bezieht seine therapeutischen Mittel teilweise direkt von Aristoteles, der natürlich um die psychologische Wirkung seiner rhetorischen "Tricks" nicht wuBte. Antiké Rhetorik arbeitete psychologisch betrachtet auf niedrigem Niveau. Jedoch ist es verbliiffend, daB trotz exakteren Wissens sich heutzutage herausstellt, daB jene Rhetorikkünste der Antiké, jene Stilfiguren, die der klassische Philologe zu analysieren pflegt, ganz und gar in den Rahmen unserer modernen Psychologie passen. Doch so alt die Pragmatik sein mag, so neu ist die Theorie. Erst die Psychologie unserer Tage war in der Lage die Ursachen zu kláren, die Begründung für die Wirkung rhetorischer Mittel zu liefern - die Antiké beschránkte sich auf die Wirkungskomponente. In meiner Arbeit möchte ich am Beispiel von Lessings "Nathan der Weise", dem letzten Bühnenwerk des Dichters, eine linguistische Analyse einiger unter diesem Aspekt relevanter Stellen vornehmen. -Ich möchte prüfen, welches Werkzeug Watzlawick mit seiner "therapeutischen Grammatik" dem Germanisten in die Hand gibt, ob es möglich ist, aus der Literatur gewonnene therapeutische Mittel für die Literaturanalyse wiederzuverwenden. Es handelt sich dabei um etwas, das in dieser Form noch nicht 26