K. K. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 6. (Wien, 1907)

Oswald Redlich: Das Archivwesen in Österreich

Das Archivwesen in Österreich. 23 zurückbleibt und so die Bestände nach und nach zerrissen und zerstreut werden. Kurz, hier kann also eine segens­reiche, systematisch ordnende und organisierende Tätig­keit der kirchlichen Behörden eingreifen, welche sich der staatlichen und ständischen Fürsorge mitwirkend an die Seite stellt. Besitzen wir so für diese großen Gruppen von Archiven die Möglichkeit der allmählichen Schaffung von schützenden und ordnenden Organisationen, so ist dies allerdings nicht mehr der Fall bei Privatarchiven. Da ist man auf den vor­handenen historischen Sinn, die Pietät gegen altes Familien­erbe, die Einsicht in den geschichtlichen Wert der Archi­valien angewiesen. Man findet diese löblichen Eigenschaften bei Korporationen, bei hohen und niedern Archivbesitzern. Allein man findet leider häufig auch das Gegenteil. Den hervorragenden Beispielen vortrefflicher Fürsorge für Archive stehen berüchtigte Fälle der letzten Zeiten gegenüber, in denen das archivalische Erbe alter und berühmter Geschlechter zerstreut, verschleudert, versteigert, verkauft worden ist. Und mit der Berührung dieser wunden Stelle stoßen wir noch auf zwei große, klaffende Lücken unseres Archiv­wesens, die mit Mängeln unserer Denkmalpflege überhaupt Zusammenhängen: es fehlen budgetär eingestellte, sofort verfügbare Geldmittel, um nötigenfalls Archivalien vor Verschleuderung, Zerstückelung oder Expatriierung durch Ankauf zu retten; es fehlt ein Denkmalschutzgesetz, welches nach derselben Richtung erhaltend und heilsam hemmend wirken würde. Die Bewilligung von Geldmitteln zum Erwerb gefähr­deter Archivalien bildete den vierten Punkt der vom Herren­hause am 29. Mai 1894 beschlossenen Resolution *). Es wurde in der Motivierung darauf hingewiesen, wie oft der gänzliche Mangel an Geldmitteln schon den Verlust wert­voller Archivalien und Archivbestände nach sich zog, die mit verhältnismäßig geringen Kosten hätten erworben und *) Vgl. Mitt. der Archivsektion 2, 293 f, 303.

Next

/
Thumbnails
Contents