Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1886
10 es bei gewissen Beschäftigungen gar keine Lust an den Tag legt; es hat möglicherweise kein Talent dazu. Die Klavierstunde langweilt deine Tochter, sie kommt nicht vorwärts; dein Sohn maciit gar keine Fortschritte im Violinspiel ; befreie beide von der Last. Unsere berühmtesten Frauen wussten wenig vom Klavierspiel; auch ist es gar nicht nöthig, dass jemand den Violin-Bogen zu führen wisse, um ein guter Bürger, Gatte und Vater zu sein. Es bleibt wohl eine ewige Wahrheit, dass jedes Wissen und Können unser Glück erhöhen kann; aber daraus folgt noch lange nicht, dass das Nichtbewandertsein in irgend einer Wissenschaft schon überhaupt ein Unglück wäre. Ein Mensch kann eben nicht alles wissen. Nur wenn das Kind jede Arbeit scheut, und ausgesprochen träge ist, lasset kein Mittel unversucht, in ihm die Arbeitsliebe zu erwecken; schwerfällige, ungeschickte Leute sind nirgends zu gebrauchen! Mit einem trägen Kinde ist Nichts anzufangen; aber man kann es leicht handhaben, es ist mit ihm auszukommen: es ist nicli widerspänstig, nicht trotzig und gleicht in vieler Beziehung dem gleichgültigen Pflegmatiker. Doch ist mir ein Kind, welches nicht alles gleichgültig hinnimmt, bedeutend lieber, und ich kann denen nicht beipflichten, die ihre Kinder deshalb tadeln, weil sie empfindlich sind und nicht jeden Verweis still und geduldig ertragen. Die Empfindlich keit ist je etwas Gutes in Charakter, und Kinder, welche die Ermahnungen des Vaters, das Wort der Mutter, zu einem Ohre hinein, zum andern wieder heraus lassen, sind nimmer gut zu nennen. Das ein Kind nach einer ernsten Rüge nicht gleich fröhlich und heiter, sondern niedergedrückt ist, finde ich ganz in der Ordnung und wehe wenn es anders wäre! Der da will, dass ein bestraftes Kind die Ruthe küsse, erzieht nur Heuchler. Willst du also ehrenhafte und ehrenfeste Charaktere aus deinen Kindern erziehen, so verletze es dich nicht, wenn es niedergedrückt ist und sich eine Zeitlang scheu in einiger Entfernung hält. Nur schmolle nicht du, rufe das Kind wieder zu dir und spende ihm ein ermuthigendes Wort. Du als Vates verlierst ja nichts dabei, wenn du deinem Kinde „das erste Wort“ gibst, du stehst und musst stehen hoch über jeder Schwäche und Leidenschaftlichkeit. Du belehrst dein Kind; du gibst ihm, wenn es noth thut, Strafe ; aber du hast es immer lieb; auf dich kann es sich stets verlassen und es wird dann von selbst wieder zutraulich in voller Liebe zu dir kommen. Es gibt ferner Eltern, die von ihren Kindern nicht die geringste Gegenrede dulden, unter keinen Umständen. Das ist auch nicht immer das Richtige. Es ist noch lange keine Rechthaberei, wenn es sein — wahres oder vermeintliches — Recht vertheidiget und einen Verweis nicht annehmen will, den es nicht verdient hat. Nur der Sklave hält Unterwürfig still, wenn der Herr seinen Unmuth an ihm auslassen will; ein freier Mensch gibt sich nicht