Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1883

„Nicht viel lesen, sondern gut, Ding- viel und oft lesen macht fromm und klug dazu“. Ohnedies wird dem Kinde in der sogenannten Jugend­literatur eine ganz heterogene Gesellschaft von Herren und artigen Kinderhelden, von Märchen, Fabeln und Geschichten, von Lederstrumpfromanen und Moralien und Kochbüchern für die Pup­penküche, von geographischen, Natur- und Kinderstubenbüchern geboten, und wenn man weiss, dass das Kind oft auch beim besonnenen Lesen nicht selten einzelne Ausdrücke und selbst ganze Geschichten in verkehrtestem Sinne auffasst, so kann man leicht einsehen, welcher Gefahr die leicht erregbare Ein­bildungskraft unter dem Einflüsse jenes fieberhaften Viel- und Vielerleilesens ausgesetzt ist; es ist nicht anders möglich, als dass alle Bilder, Situationen, Ereignisse, Charaktere, so wie die verschiedenen Colorite der Darstellung in heilloser Verwirrung in einander verschwimmen, wodurch aber leider auch die eigene Seibstthätigkeit im Denken, die Deutlichkeit, die Festigkeit der Vorstellung und die Originalität des Kopfes verloren geht. Das „Vielerleilesen“ bedingt auch ein „Viellesen“, wel­ches — wie schon erwähnt — auch auf die leibliche Entwicke­lung des Kindes höchst nachtheilig wirkt, und mit dem frischen Muthe und der Leichtigkeit der Seele auch die Kräfte des Kör­pers lahm legt. Man darf nur sehen, wie das Kind mit fliegen­dem Auge und glühenden Wangen über seinem Lesebuche da­sitzt und man wird die Macht der Lesewuth erkennen. Das Kind ist vielleicht den ganzen Tag über geschult, gezogen worden, — aber so mit ganzer Seele hat es sich keinem Ein­flüsse hingegeben, so gewaltige Wirkung hat nichts auf das­selbe ausgeübt, als das Buch, welches es jetzt in der Abend­stunde zur Erholung liest. Ist denn aber eine solche Lek­türe eine Erholung ? Unsere Jugend hat ohnedies der Bücher­arbeit überaus genug und eine übermässige Lektüre wirkt weit mehr zum Verderben, als zum Heil. Das Lesen ist ja nicht die einzige, sondern eine von den vielen Arten, die Musestunden auszufüllen. Es ist daher durchaus nicht zu dulden, dass die Kinder vorzugsweise oder ausschliesslich die freie Zeit dem Le­sen, sei es auch der besten Schriften, widmen. Von der Bewe­gung in der freien Luft kehrt der Knabe und insbesondere das Mädchen, dessen schwächere Constitution noch mehr der körper­lichen Erholung bedarf, zur Schularbeit weit froher und geschick­ter zurück, als von dem Sitzen über den Büchern. Man ent- sclilage sich daher der ängstlichen Paedagogie, die in der Freiheit

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