Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1872

24 Die freie Wahl der Geistlichen, das denselben zukom­mende Recht des Zehntens und die eigene geistliche Gerichts­barkeit sicherte den Sachsen auc§ in kirchlicher Beziehung ihre Unabhängigkeit von fremdem Einflüße und trug dazu bei, die geistige Verbindung mit dem deutschen Mutterlande zu er­halten. Bei ihrer Einwanderung fanden die deutschen Ansiedler in Sieben­bürgen zwar Völkerschaften, die schon zum Christenthume. bekehrt, aber in Sprache, Sitte und Gewohnheiten wesentlich von ihnen verschieden waren. Sie mußten deshalb Geistliche aus ihrer Mitte haben, mit denen sie sprechen, zu denen sie Zutrauen haben konnten. Diese Geistlichen zu wählen, gewährte ihnen der andreanische Freibrief. „Ihre Geistlichen aber sollen sie sich frei wählen, die Erwählten zur Bestättigung vorstellen*); ihnen den Zehnten geben und in allen Kirchensachen, nach der alten Gewohnheit, sich ihrem Gerichte unter­ziehen." Hierdurch wurden die deutschen Ansiedler auch in kirchlicher Beziehung ein abgeschloßenes Gemeinwesen und fremdem Einflüße unzugänglich. Diese kirchliche Selbstständigkeit wurde noch gefördert durch die schon von Béla III. gestiftete Hermannstädter Probstei, die nicht unter dem Bischof von Siebenbürgen stand, sondern unmittelbar dem Papste untergeordnet war, in der Mitte des 13. Jahrhunderts aber schon unter die geistliche Obergewalt des Reichsprimas, des Erzbischofs von Gran, gerieth, durch welches Verhältniß zwischen den Pröbsten und Erzbischöfen mancherlei Streitigkeiten entstanden. Gleicher Vorrechte, wie die Hermannstädter Probstei, erfreute sich auch die Burzenländer Geistlichkeit, die seit 1213 ebenfalls unabhängig vom Landes­bischof war. Nur die übrigen deutschen Colonien des Landes gehörten zum Kirchsprengel des Bischofs von Siebenbürgen. Für den Unterhalt der sächsischen Geistlichen war durch das ihnen verliehene Zehntrecht gesorgt. Diese Abgabe der Ansiedler war zwar eine bedeutende Leistung, hat aber doch dem Volke selbst reiche Früchte getragen. Die Aussicht auf die großen Einkünfte der meisten Pfarreien erweckte in den sächsischen Jünglingen das Streben nach höherer geistiger Ausbildung. Diese fanden sie an den berühmten Gelehrtcn- schulen des deutschen Mutterlandes, woher sie als tüchtige Lehrer und gebildete Geistliche in ihr Vaterland zurückgekehrt, Bildung und Gesittung unter dem Volke verbreiteten. So ward der Zehnten ein bedeutendes Mittel, das die geistige Verbindung mit dem deutschen Mutterlande erhielt und der Bildung und Wissenschaft im sächsischen Volke bleibende Stätten bereitete. Das Andreanum verlieh den Sachsen das Land zu vollem, echtem, unbeschränktem Eigenthum und bewahrte sie dadurch in ihrem Besitze durch der Jahrhunderte lange Zeit vor den Anmaßungen und Gelüsten fremder Habsucht. Der goldene Frei­brief nennt die Deutschen: „hospites" d. h. Gäste, Ansiedler. Diese Benen­*) Zur Bestättigung ihrer Würde wurden die Gewählten dem Dechanten vorgestellt.

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