Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1864

54 wie man eigentlich sagt, das Haus viel, besonders bei Heirathen. Der Bauer und kleine Handwerker fühlt ferner noch immer einen großen Respekt vor „Sr. Vorsichtsweisheiten" dem Herrn Magistratsbeamten, wenn er auch weniger als früher in Bittgesuchen und Verkehr „in Demuth unD Hoffnung erstirbt." Diese Unterwürfigkeit und Unterordnung in manchen Dingen, erklärt sich durch die Einwirkung der Umgebung, wo bis vor kurzem nur Herren und Sklaven lebten und aus der autonomen Gauverfassung, nach welcher der Kaiser weit, der Oberrichter und Senat aber nahe waren. Die Arbeit als solche und nicht nur eine bestimmte Art, ein Beruf, hat noch immer ihre Ehre; die Achtung des eigenen Berufes sitzt noch in jedem Herzen und macht sich in muthwilligen Späßen über die anderen Luft. So läßt bis in die neuere Zeit herein in den seltensten Fällen ein Handwerker seine Kinder ein anderes als sein Gewerbe lernen; so kann sich der Bauer schwer entschließen seinen Sohn „auf das Hand­werk zu geben" oder studiren zu lassen. Die Theilnahme am Gemeindeleben, wie es sich besonders in der Opferwilligkeit für Gemeindezwecke ausspricht ist groß und schön zu nennen. Man braucht nur die vielen öffentlichen Bauten der nachachtundvierziger Jahre anzusehen, welche als Schulen, Kirchen, Thürme, Pfarrhäuser, dann Beschaffung von Lehrmitteln wenigstens zusammen 200.000 fl. gekostet haben, so wird man mir Recht geben. Die Politik wohl kümmert die Leute weniger, wenn sie nur Sachsen bleiben können und wenige Steuern zu zahlen brauchen. Eine gewisse Abgeschlossenheit der Gesellschafts- und Familienkreise ist ist dem Fremden gegenüber noch meist zu finden, doch leicht erklärlich, wenn man bedenkt, daß. vor wenigen Jahren der Nösner Sachse in weitem Umkreise der einzige freie Bürger war; daß er den Leibeigenen verachtete und die Ueber. griffe des fremden Adels zu fürchten gelernt hatte. Daß auch die neuere Zeit daran nicht viel geändert hat, rührt davon her: daß mit der massenhaften Zu­wanderung fremder. Elemente zugleich übertriebener Luxus, im Bunde mit offener ehelicher Untreue und unverhüllter Prostitution — Gaben denen die Masse der Bevölkerung noch keinen Geschmack hat abgewinnen können — ihren Einzug gehalten haben; und daß die große Mehrzahl zugleich auftretende Erscheinungen nur als im Zusammenhänge von Wirkung und Ursache denkt. Fremde, welche sich die engeren Kreise zu öffnen verstehen, werden ohne weiteres wie Familien­glieder behandelt, und von diesen kommt gewiß keine Klage über zu große Ab­geschlossenheit und Ungastlichkeit. .Auch bisher habe ich dunkle Seiten der Gesellschaft berührt, welche aber nur größtentheils vor den moralischen Richterstuhl gehören. Um die dem Gesetze verfallenen zu schildern benütze ich die Angaben der Strafregister des früheren

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