Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1864

49 sind die Alltagsspeisen. Für Weihnachten müssen die Schweine bluten und die Christwurst sammt dem unzertrennlichen Sauerkraut sehtt wohl auf keinem Tische. Zu Ostern dars es ohne Osterlamm nicht hingehn, und ist kein eigenes im Hause, so wird ein halbes wenigstens gekauft. Kommen Gäste, so geht es ge. wohnlich einem abgedankten Sultan des Hühnerhofes an den Hals und eine „geschnittene Teig" Suppe ist sicher zu erwarten.. Piacinten, eine Art sehr guter Omeletten und sogenannte „Bcgel" kleine Mühlsteine für krankende Magen und Clocsch sind die Mehlspeisen. Bei festlichen Gelegenheiten und wenn es sich überhaupt nur thun läßt, trinkl der sächsische Bauer Wein, oder als Ersatz mit Honig versüßten Branntwein; bei der Arbeit dagegen und in den wein­ärmeren Orten meist Branntwein. — Der Städter hat tn Speisen größere Auswahl, aber auch ihm geht im Winter nichts über eine gute gereicherte Wurst in Krautsuppe — Geig — aufgekocht, im Frühjahr ein fettes Lamm und immer nichts über einen am offenen Feuer am Spieß gar und „resch" gewordenen Rindbratcn. Charakteristisch ist für den Bauern und Städter die Menge von Gemüse­suppen. Kohlrabi, Kohl, Möhren, Fisolen mit und ohne Fleisch gekocht, eingebrennt oder nur mit Mehl Ei und Essig „dickgemacht" und zudem mit Milchrahm über­gossen. Das höchste leistet in dieser Richtung das in der Weinlese beliebte nie fehlende Weinstemkraut. Eigentliche Lieblingsmehlspeisen sind auch bei den Städtern die früher genannten Placinten, dann große Kuchen aus Brodteig mit allerlei Aüllungen. Honklich genannt und bei festlichen Gelegenheiten nie fehlend, die „Reteschhonklich" der Stolz der Hausfrau.-I i Eigentliche Volksfeste finden sich' keine, ob sie in den furchtbaren Stür­men des 16. und 17. Jahrhunderts verloren gegangen, oder nie bestanden haben, kann ich nicht sagen. Die Feste der Zünfte mit ihrem sich immer wie­derholenden Mummenschanz sind in den Wogen der 1848er Bewegung und dem loseren Verbände der Genossenschaften untergegangcn. Nur die Schuljugend hat sich das Maifest im Walde gewahrt. Die in manchen Kreisen mehr als gut beliebten Kinderbälle, möchten sich schwer vor dem Richterstuhle einer ge­sunden Erziehung rechtfertigen lassen und sind meist nur Gelegenheiten zu eitlem Dickthun mit hübschen Gesichtchen und Jmpfplätze der Koketterie und verderb­licher Putzsucht. Die Faschingszeit wird zwar auch in Bistritz mit Bällen aus- gefüllt, doch hat sie wenig eigentliches humoristisches Leben. — Auf dem Dorfe sind die „Jrtentänze" der Bruderschaften und Schwesterschasten. unter die Ob- Hut des Pfarrers gestellt, ungezwungene nicht gerade häufige Feste. Wulzer, Polka beginnen dabei den alten Bauerntanz zu verdrängen. Die gesuchte oder wenigstens immer benützte Gelegenheit zu Familien­festen. also Festen im kleineren Kreise, geben die kirchlichen Feste. Zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten treffen sich die Glieder bei den Aeltesten der Familie zu 4

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