Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1864

Die Revolution des Jahres 1848 hat in Siebenbürgen nicht nur die alten unhaltbaren staatlichen und bürgerlichen Verhältnisse zertrümmert und ein Neues an ihre Stelle gesetzt; sondern sie hat auch auf wirthschaftlichem Gebiete eine neue Zeit angebahnt, in deren Geburtswehen wir uns noch befinden. Die Zollschranken gegen Ungarn und die Bukovina sind gefallen, die Gewerbe freier, die Robott aufgehoben, der Zehnte abgelöst und die Eisenbahn soll uns mit den Culturländern des Westens verbinden. Da bringt nun die Zeit mannigfaltige Entwürfe für Landwirthschaft und für Gewerbe, die, anderen Verhältnissen ent­nommen, sich hier erst bewähren sollen, ohne die nöthigen Vorarbeiten nur in der Luft schweben, und ohne festen Boden möglicherweise viel nützen, aber auch möglicherweise dem ohnehin armen Lande noch mehr schaden können. Deshalb schien es mir eine dankbare Aufgabe zu sein, in einem, wenn auch kleinen doch immerhin im nördlichen Theile Siebenbürgens maßgebenden, Kreise möglichst genaue, das Sein und Leben wiedergebende Datefl zu sammeln, und als eine Studie denen, die es angeht und die es anspricht darzubieten. Die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer selchen Arbeit war mir jedoch kein stärkerer Beweggrund die Arbeit auch auszuführen, als meine Liebe zu der schönen Heimath und den Stammesgenossen. Es werden ja seit längeren Jahren die Trümmer der Vergangenheit unseres Landes und Stammes mit emsigem Fleiße gesammelt; da hat denn, glaube wenigsteus ich, auch die Gegenwart ein Recht. zu fordern, daß die getrennten Theile ihres Lebens der ander- gestalteten und gestaltenden Zukunft, wenn möglich zu einem Gesammt- bilde vereinigt, erhalten bleiben. Daß ich den Versuch, ein solches Bild zu entwerfen, dem Programme der vereinigten Bistritzer Lehranstalten übergebe, mag meine Ansicht von der Ausgabe der Schule in unseren Verhältnissen recht­fertigen. Ich halte nemlich dafür, daß die Schule das ganze Leben zu erfassen suchen muß, weil sie den ganzen Menschen vorbilden soll. Die Aufgabe, die ich mir gestellt habe, umfaßt die Verhältnisse des Bodens und Klimas, der Bevölkerung, des Ackerbaues und der Viehzucht, der Gewerbe und des Handels, das Schulwesen, und endlich die Sitte und Sittlichkeit.

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