Evangelischen gymnasiums, Bistritz, 1862

21 «ne herrliche Stütze gefunden haben. Daß die Reformatoren auf die sitt­liche Veredlung der Sitten nicht größer» Einfluß genommen haben, mag wohl seinen guten Grund darin haben, daß sie durch ihre reformatorischen Arbeiten auf dem Gebiete der Kirche und Schule zu sehr in Anspruch ge­nommen waren, um kräftiger entgegenarbeiten zu können. Daß es ferner seine große Schwierigkeit hat, eine aus so verschiedenen Elementen zusam­mengesetzte Masse übermüthiger Jünglinge im Zaume zu halten, sieht je­der Unbefangene sehr leicht ein. Dazu kommt noch ein Drittes: daß die damalige Zeit über den rechten Sinn der christlichen Freiheit, wie sie Luther gelehrt hatte in seiner Schrift: „von der Freiheit eines jeden Christ­menschen" sich in großer Unklarheit und argem Mißverständniß befand, beweist uns die damalige Zeitgeschichte. Derselbe mißverstandene Sinn die­ser Freiheit, welcher die Bauern zum Auflehnen gegen ihre Herren bewog, mag auch auf die zügellosen Sitten der Studenten nicht geringen Einfluß genommen haben, wie sich dieselben besonders in der barbarischen Rohheit der sogenannten Deposition zeigte*). Und wenn Luther zu Zeiten selbst diesem rohen Gebrauche beiwohnt, so wird er es wohl nur darum gethan haben, die üblichen Rohheiten abzuschaffen oder doch zu mildern. Mögen die Sitten aber noch so rauh und unbändig gewesen sein; eins dürfen wir nicht vergessen: daß nämlich die Reformatoren trotz dem herrschenden Unwesen Schüler an sich gezogen und gefesselt haben, welche über alle sittliche Berderbniß erhaben, sich einzig und allein dem Studium der Wiffenschaften widmeten und, die Ideen ihrer großen Meister verttetend, ihnen überall Geltung zu verschaffen wußten. Ich brauche in dieser Be­ziehung nur zu erinnern an die Namen: Trotzendorf, Camerarius, Mat- thesius, Neander u. v. a., um zu zeigen, daß wir in unserem Urtheile über den Einfluß, den die Reformation auf die Schulen genommen, durch­aus nicht ungerecht werden und ihr das große Verdienst, das sie gehabt, nicht absprechen dürfen, weil dieselbe die obenerwähnten Rohheiten nicht mit einemmale abzuschaffen vermochte. Denn der große Unfug kann nun einmal nicht mit einem Schlage zum Falle gebracht werden, eben so we- uig ivie die Reformation mit einemmale nicht überall durchgeführt werden kann. Wie den Werth einer sittlich freien Handlung so können wir auch den Werth einer neuen Idee nur aus den Folgen erkennen, welche sie in Bezug auf die bestehenden Verhältnisse gehabt hat. Die reformatorischen Bestrebungen aber haben, wie in Bezug auf die Kirche, so auch in Bezug *) Raumer, a. o. C. IV., -2. 40.

Next

/
Thumbnails
Contents