Ságvári Ágnes (szerk.): Budapest. Die Geschichte einer Hauptstadt (Budapest, 1974)

Pest-Buda von 1686 bis 1849

Erblande degradierte und die Anhäufung größerer, zur Errichtung nennenswerter Industrie­anlagen benötigter Kapitalien verhinderte, blieb der wirtschaftliche Aufschwung des Landes gehemmt, und das Gewerbe vermochte sich nicht über den Stand der kleinen und mittleren Handwerksbetriebe zu entwickeln. Einer Entfaltung und Vergrößerung der in den sieb­ziger Jahren des 18. Jahrhunderts von Fall zu Fall auf den Plan tretenden Manufakturen stand auch die Politik des Stadtrates im Wege, so daß diese Manufakturen mit der einzigen Ausnahme einer Seidenspinnerei und -weberei sehr kurzlebig waren und ihre Produktions­kapazität kaum jene einer größeren Werkstatt übertraf. Auch die Zusammensetzung, die Lage und die Lebensweise der Bevölkerung von Buda und Pest wichen nur wenig von denen mittelalterlicher Städte ab. Die obere und mittlere Gesellschaftsschicht, die das Bürgerrecht besaß und meist über ein Haus und ein bewirt­schaftetes Grundstück verfügte, setzte sich größtenteils aus Fremden, vornehmlich aus Handwerkern und Kaufleuten zusammen, die aus deutschen Sprachgebieten zugewandert waren. Da die Handwerker damals für gewöhnlich nur eine geringe Zahl von Gesellen be­schäftigten, bildeten Tagelöhner und in den Weinbergen beschäftigte Arbeiter die breiten Massen der restlichen Bevölkerung. Innerhalb dieser scheinbar so unkomplizierten Gesellschaftsstruktur der städtischen Bevölkerung schwellten indessen soziale, rechtliche, nationale und durch die stark vonein­ander abweichenden Vermögensverhältnisse bedingte wirtschaftliche Gegensätze, die eine ständige Spannung zur Folge hatten. Obwohl die Bürgerschaft auf den dauernden Zustrom und Nachschub an Arbeitskräften angewiesen war, blieb sie im Vollbesitz des den Zuge­wanderten vorenthaltenen Bürgerrechts, mit wachem Argwohn darauf bedacht, von letzteren in der Nutzung der landwirtschaftlich ertragreichen, in ihrer Ausdehnung ohnehin ständig schrumpfenden Gemeindefelder nicht geschmälert zu werden. Die Zünfte bemühten sich, durch Erschwerung der Zulassungen zur Meisterprüfung ihren Absatzmarkt zu sichern und ihren Kundenkreis beizubehalten. Das Betreiben eines selbständigen Gewerbes ver­wandelte sich immer mehr in ein Vorrecht der Familienangehörigen eines ortsansässigen Meisters und der eingewanderten wohlhabenden Handwerker, und die Gesellen gaben sich entweder damit zufrieden, ihr Leben als abhängige Lohnarbeiter zu fristen, oder sich in Provinzstädten bzw. auf dem Land eine eigene Existenz zu schaffen. Es gab auch dauernd Reibereien zwischen den in der Hauptstadt Seite an Seite lebenden drei Nationalitäten, den Ungarn, den Deutschen und den aus dem Balkan eingewanderten griechisch-orthodoxen Serben, Mazedoniern und Griechen. Die Unstimmigkeiten zwischen Ungarn und Deutschen wurzelten dem Wesen nach im Gegensatz zwischen den in weniger einträglichen Berufen tätigen Ungarn und den in der Stadtverwaltung tonangebenden, meist eingewanderten, wohlhabenden deutschen Gewerbetreibenden und Großkaufleuten. Weit weniger nationale Gesichtspunkte oder Glaubensüberzeugung als vielmehr wirt­schaftliche Interessen waren auch bei dem gemeinsamen Bestreben der deutschen und unga­rischen Kaufleute im Spiel, ihre gefährlichsten Konkurrenten, die agilen und geschäfts­tüchtigen „griechischen“ Kaufleute in den Hintergrund zu drängen, ein Sammelbegriff, unter dem man damals alle aus den von den Türken eroberten Balkanländern zugewanderten griechisch-orthodoxen Kaufleute zusammenfaßte, die es dank ihren familiären Bindungen, ihren guten Handelsbeziehungen, aber auch durch ihren Fleiß und Unternehmungsgeist zu Wohlstand gebracht hatten und am beachtenswerten Aufschwung der Pester Handels­tätigkeit maßgeblich beteiligt waren. 28

Next

/
Thumbnails
Contents