Ságvári Ágnes (szerk.): Budapest. Die Geschichte einer Hauptstadt (Budapest, 1974)

Dokumentensammlung

Für die von Partei und Regierung getroffenen Maßnahmen treten in erster Linie die Par­teimitglieder und die älteren Facharbeiter, die zur Stammbelegschaft der Betriebe gehören, aktiv ein. Mit ihrer Unterstützung kann man in jeder Angelegenheit, nicht nur in Fragen der Produktion, rechnen. Neben den politisch aktiven Parteimitgliedern und älteren Arbeitern gibt es eine breite Schicht von Sympathisanten. Ein Teil dieser Arbeiter gehörte früher der Partei der Ungari­schen Werktätigen an. Sie sind aus verschiedenen Gründen nicht wieder der Partei beigetre­ten, doch sie unterstützen — wenn auch nicht mit entsprechender politischer Aktivität — die Politik von Partei und Regierung. Außerdem ist ein Lager der politisch Gleichgültigen oder augenscheinlich Gleichgültigen vorhanden, dessen Annäherung an die Kräfte der Diktatur des Proletariats parallel mit ihrem Erstarken wahrnehmbar ist. Zu dieser Schicht gehören im allgemeinen die Werk­tätigen, die aus der Landwirtschaft und dem Kleinbürgertum zur Arbeiterklasse gelangten, vor allem jene, die bereits mehrere Jahre als Arbeiter tätig sind. Zu den politisch Indifferen­ten muß auch der Teil der früheren Parteimitglieder gerechnet werden, der während der Konterrevolution eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielte und deshalb jetzt nicht in die Partei aufgenommen wurde. Die Mehrzahl der Arbeiterinnen bejahen zwar das volksdemokratische System, zeigen aber in politischen Fragen keinerlei Aktivität. Recht viele Arbeiterinnen waren vor der Konterrevolution in der Partei oder in einer Massenorganisation tätig, jetzt widmen sie sich aber nur ihren Familien und ihren persönlichen Angelegenheiten. In der Zusammensetzung der Budapester Arbeiterschaft trat in den vergangenen zehn Jahren eine beachtliche Veränderung ein. Besonders am Anfang der Verstaatlichungen wurden zahlreiche Arbeiter aus den Betrieben in den Partei- und Staatsapparat berufen, andererseits gelangten durch starke Industrialisierung Zehntausende von kleinbürgerlichen, bäuerlichen und deklassierten Elementen in den Produktionsprozeß. In den Budapester Betrieben arbeiten deshalb aus den erwähnten Gründen nur ca. 30—40 Prozent der Arbeiter länger als 10 Jahre (also mindestens seit 1948) in der Industrie. In einzelnen Industrie­zweigen, z. B. in der Textilindustrie, ist diese Erscheinung noch stärker. So arbeiteten in der Textilfabrik Goldberger nur 4,3 Prozent der Arbeiter auch vor der Befreiung im Betrieb. Die länger als zehn Jahre in den Betrieben arbeitenden Werktätigen, also die Stammbeleg­schaft, ist unter den Facharbeitern am stärksten anzutreffen. Sie spüren am ehesten die Ver­antwortung für das Ansehen ihres Betriebes, für die Planerfüllung und das gesamte Kollek­tiv. Es ist daher erstaunlich, daß bei den Betrieben im allgemeinen kein besonderes Bestreben zur Festigung der Stammbelegschaft vorhanden ist. Sehr selten kommt es vor, daß lange an einem Platz arbeitende Werktätige durch Stipendien oder andere Hilfe zur Weiterbil­dung angespornt werden. Die Einräumung von Vergünstigungen, Wohnungsbau usw. sind Einzelfälle. Die Arbeiter betrachten es als den größten Mangel, daß die Betriebe sich zum Ausbau einer Stammbelegschaft nicht eingehender mit den neuen Arbeitskräften be­schäftigen. Diese erreichen deshalb nicht, und vor allem wenn die Hilfe des technischen Personals ausbleibt, den ihrer Fachbildung entsprechenden Verdienst und kündigen. Es kommt deshalb zu einer starken Fluktuation und zum Facharbeitermangel in den Betrieben. Diese Haltung ist vor allem bei den Jungarbeitern zu beobachten, die als Lehrlinge zahl­reiche Vergünstigungen genossen. Mit der Beendigung der Ausbildung hören diese Ver­günstigungen auf. Da die Jungarbeiter aber noch nicht über die entsprechende Erfahrung 136

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