Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Peter Csendes: Donauregulierung und Wienflusseinwölbung
75 den Staats- und Landessteuem, die Wien abführte, Mittel in das Vorhaben flössen. Zur Durchführung der Donauregulierung wurde eine Kommission unter der Leitung des Innenministers eingesetzt, in der der Geologe Eduard Sueß, der auch für die erste Wiener Hochquellenwasserleitung Großes geleistet hat, die treibende Kraft war. Die oberste Bauleitung lag in den Händen von Ministerialrat Gustav Wex. Am 14. Mai 1870 nahm Kaiser Franz Joseph I. den ersten Spatenstich vor. Die Bauarbeiten wurden von den französischen Firmen Castor, Hersent und Couvreux durchgeführt. Mit modernen Maschinen wurde das neue Flussbett (der „Durchstich“) in einer Länge von neun Kilometern ausgehoben, das gegen Ende 1874 fertiggestellt war. Noch vor dessen Flutung wurden auch vier der fünf Brücken errichtet. Am 15. April 1875 wurde das neue Bett mit einigen Problemen geflutet, am 30. Mai kam es zur feierlichen Eröffnung des Schiffsverkehrs. Am linken Donauufer gab es nun neben dem Strombett in einer Breite von 284,5 m ein Inundationsgebiet, 474,56 m breit, das vom Hubertusdamm begrenzt und abgesichert wurde. Das neue rechte Ufer wurde auf einer Länge von 14 km mit 3,79 m über Null überhöht, jedoch für den Ladebetrieb geeignet angelegt, der eigentliche Schutzdamm, eine auf eine Höhe von 6,33 m ansteigende Anschüttung, wurde erst dahinter in der ersten Parallelstraße angelegt. Die alten Donauarme, sofern sie nicht im neuen Strom aufgingen, waren abgetrennt und weitgehend zugeschüttet worden. Die größten erhaltenen Altwässer sind das Kaiserwasser und die Alte Donau nördlich des Hauptstroms. Die Donauregulierungskommission hatte für das Bauvorhaben zahlreiche Grundstücke eingelöst, die nun parzelliert und verkauft wurden. Das Aushubmaterial aus dem Durchstich hatte man zur Aufschüttung alter Donauarme verwendet, die dadurch ebenfalls in Bauland verwandelt wurden. Eine besonders intensive Siedlungsbewegung erfasste den nordwestlichen Teil der Insel zwischen Hauptstrom und Donaukanal, der ein Teil des 2. Bezirks (Leopoldstadt) war und als Folge des raschen Wachstums im Jahr 1900 als eigener Bezirk (20. Bezirk, Brigittenau) eingerichtet wurde. Der Donaukanal war noch im hohen Mittelalter der Hauptstrom der Donau gewesen. Mit der fortschreitenden Verlagerung des Hauptbettes gegen Norden geriet er jedoch immer wieder in Gefahr zu verlanden. Da auf diesem Weg jedoch die wichtigsten Handelsgüter nach Wien kamen, wurden immer wieder große Anstrengungen unternommen, diesen Donauarm durch Ausbaggem und Verbessern des Laufs schiffbar zu halten, Maßnahmen, deren Wirkung aber stets nur von kurzer Dauer war. So trocknete etwa 1834 nach einer langen Dürre der Kanal fast aus. Als 1850 ernsthafte Diskussionen über eine Regulierung der Donau stattfanden, legte man für den Donaukanal die Rolle eines Verkehrszubringers vom Hauptstrom in die Stadt fest. Man erwog auch, den Kanal als Winterhafen zu nützen. Es zeichnete sich allerdings damals bereits ab, dass die Wasserstraßen