Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Eszter Gábor: So verschwand das Grün aus dem Villenviertel
57 geschlossenen Reihen verbauten Front der János Nagy-Straße, wo die ganze Breite des Grundstücks verbaut und der Garten hinter den Häusern fast konsistent fortgesetzt werden konnte. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg - als Pista Grauermann mit seiner Familie in die Villa in der Allee einzog - standen dort noch zahlreiche, sich vermutlich in gutem Zustand befindende, damals ein Vierteljahrhundert alte bürgerliche Villen. Vome und hinten verfügten sie über entsprechende Gärten, nur von der Seite waren die Nachbarn zu nahe. Zwischen diesen Villen, und am meisten am Ende der Allee zum Stadtwäldchen, wurde die Verbauung dichter - hier vergrößerte sich die Zahl der zweistöckigen Mietsvillen, die tief in das Grundstück eindrangen. Abgesehen von ein paar Ausnahmen standen noch die 40-50 Jahre alten Villen der Andrässystraße mit ihren Gärten, die gerade noch dazu geeignet waren, den Grüngürtel anzuzeigen. Zwischen den zwei Hauptstraßen und in der Lendvaystraße erinnerten nur noch kleine Gärtchen, mit einigen Bäumen daran, dass die Stadtgestalter an diesem Ort der zweistöckigen Mietvillen ein Villenviertel geplant hatten. Was hatte diese Entwicklung bewirkt, die vom ursprünglichen Konzept wegführte, ja damit völlig unvereinbar war? Nach den im Archiv verwahrten Baudokumenten war es in erster Linie die sparsame, unzulängliche Parzellierung. Ein weiterer Grund war die späte Veröffentlichung einer Bauordnung, die verbindliche Vorschriften enthielt, da bis zu ihrem Erscheinen das Ausmaß der Bebauung der Grundstücke nur auf Grund des Gewohnheitsrechts festgelegt wurde. Die in den frühen Jahren genehmigten Ordnungswidrigkeiten bedeuteten dann ein Präjudiz, auf das man sich später berufen hat, und diese Berufung konnte die Behörde schlecht ablehnen. Jahrzehnte waren vergangen, ehe die Behörden einsahen, dass nicht einmal auf jenen Grundstücken, die im Laufe der ursprünglichen Parzellierungen zustande gekommen waren und die teilweise bereits korrigiert worden waren, gemäß der originären Vorschriften gebaut werden konnte. Die neuen Ordnungen - in denen die von der Grundstücksgrenze gemessenen Abstände mit der proportionalen Festlegung der Bebauung ausgewechselt bzw. ergänzt wurden -, kamen ein Jahrzehnt zu spät. Als sie in Kraft traten, waren sie von der lebendigen Entwicklung bereits weit überholt. Im Jahr 1914, zur Zeit des Erscheinens der neuen Bauordnung, die eine maximal 33%ige Bebauung ermöglichte, wurde mehr als die Hälfte der Grundstücke des Villenviertels in größerem Maß verbaut. Es gab für die Einhaltung der Vorschriften keine Chance.