Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Peter Csendes: Stadtentwicklung und Stadtplanung in Wien im 19. Jahrhundert

36 recht gestellt, und es waren vorerst wieder militärische Überlegungen, die städtebaulich dominierten: Zwei Kasernen wurden unmittelbar vor der Stadt angelegt, das Arsenal im Süden an einem raumbeherrschenden Standort über der Stadt errichtet. Dennoch sollte es gerade in dieser Zeit des Neoabsolutismus zu einem entscheidenden Entwicklungsschritt kommen. Im Jahr 1850, eine Folge der Aufhebung der Grunduntertänigkeit 1848 und des provisorischen Reichsgemeindegesetzes von 1849, wurde Wien mit seinen Vorstädten, von denen es räumlich vorerst noch getrennt war, vereinigt und in acht (später neun) Bezirke gegliedert. Dann ordnete der Kaiser mit einem Handschreiben vom 20. Dezember 1857 den Fall der Stadtbefestigung an. Ein internationaler städtebaulicher Wettbewerb wurde ausgeschrieben, drei Preise vergeben. Doch keiner dieser Entwürfe wurde auch direkt verwirklicht. Ein Komitee, dem die Preisträger (Ludwig Förster, Eduard Van der Nüll, August Sicard von Sicardsburg und Eduard Stracke) angehörten, arbeitete jenen Plan aus, der schließlich 1859 die Zustimmung des Herrschers fand. Er beruhte im Wesentlichen auf der Vorstellung von zwei Ringen. Einem inneren, der Ringstraße mit dem Franz-Josefs-Kai, der an die Stelle der Stadtmauer und der Basteien trat, sowie einem äußeren, der so genannten „Lastenstraße“, die das ehemalige Glacisgebiet nach außen abschloss und den Hauptverkehr aufnehmen sollte. Große Plätze (Schwarzenbergplatz, Karlsplatz, Schottengasse) leiteten den Verkehr in die Stadt, wobei der noch unregulierte Wienfluss auf Brücken überschritten werden musste. In dieser Stadterweiterungszone entstanden nun entlang der Prachtstraße öffentliche und private Monumentalbauten wie die Neue Hofburg, das Parlament, die Hofmuseen (Kunst- und Naturhistorisches Museum), Hofoper (Staatsoper) und Hofburgtheater (Burgtheater), Universität und Rathaus, Ministerialgebäude, die Votivkirche sowie zahlreiche Palais von Hochadel und Geldaristokratie und vor allem vornehme Miethäuser. Gerade die Errichtung dieser Objekte trug wesentlich zur Finanzierung des Gesamtprojekts bei. Da sich das Areal der Befestigungsanlagen in staatlichem Besitz befand - die Stadt Wien war schon zu einem früheren Zeitpunkt mit ihren Ansprüchen nicht durchgedrungen - , konnte eine sehr einheitliche Verbauung entstehen, die durch den Stadterweiterungsfonds gelenkt wurde. Der Gedanke Historismus bestimmte weitestgehend den Stil dieser Bauwerke. Eduard Van der Nüll, August Sicard von Sicardsburg, Heinrich Ferstel, Theophil Hansen, Friedrich Schmidt, Gottfried Semper und Carl Hasenauer waren die führenden Architekten, die diese Bauvorstellungen umsetzten. 1865 wurde die Straße, vier Kilometer lang, 57 Meter breit, feierlich eröffnet, abgeschlossen wurden die Bautätigkeiten jedoch erst am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Die folgenden Jahre der liberalen Stadtverwaltung brachten große Anstren­gungen, den Ausbau Wiens voranzutreiben, woran private Baugesellschaften erheblichen Anteil hatten. Der Börsenkrach des Jahres 1873 brachte dabei jedoch einen Rückschlag. Im Bereich der Stadt und der ehemaligen Vorstädte stand Bauland nur noch sehr beschränkt zur Verfügung. Daher kam es, wie auch in der Innenstadt, zum Abbruch zahlreicher Altbauten und zu markanten Veränderungen des Stadtbilds. Der innerstädtische Verkehr erforderte mehr

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