Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Eva Offenthaler: Die Wiener Bahnhöfe
145 architektonischen Gepflogenheiten in Europa ab. 1888 wurde er teilweise umgebaut und vergrößert und besaß damit ein 650 m2 großes, 13,5 m hohes Abfahrts- und ein 485 m2 großes Ankunftsvestibül. Im Vestibül des stimseitigen Traktes stand eine vom Prager Bildhauer Wild aus Marmor gefertigte Statue Kaisers Franz Josephs. Nach dem Bau der Wiener Stadtbahn wurde der Bahnhof durch einen Flügel derselben in einer Länge von 130 m übersetzt. Die als Ausgangspunkt der Wiener Stadtbahn neu errichtete Station Heiligenstadt lag nur 500 m vom Ende des Wiener Bahnhofes entfernt. 300 m vom Ende der Station Heiligenstadt begann die 860 m lange Station Nussdorf. Diese vermittelte mit der zugehörigen Station Wien-Brigittenau den starken Frachtenverkehr der Franz-Josefs-Bahn mit allen in Wien einmündenden Bahnen. Als einziger Wiener Endbahnhof überstand der Franz-Josefs-Bahnhof die Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges. Im Zuge eines Umbaus erhielt das Bahnhofsgebäude 1948 eine neue Fassade. Sein Ende war erst mit Beginn der Abbrucharbeiten 1974 gekommen, als es einem Mehrzweckbahnhof mit überbauten Gleisen weichen musste. Dieser wurde 1982 fertig gestellt. Österreichische Nordwestbahn Die Nordwestbahn wurde unter Baudirektor Wilhelm Hellwag errichtet und ab Wien 1872 eröffnet. Ihrer Hauptlinie wurde die schon 1841 vollendete Stecke Jedlesee-Stockerau eingefügt. Ihre wirtschaftliche Bedeutung bezog die Bahn aus ihrer Stellung als Rückgrat einer neuen Handelsstraße zwischen Ostsee, Berlin, Dresden und Wien. Die hügelige Landschaft und die Kosten sparende Trassierung bedingten jedoch später hohe Betriebskosten und beeinträchtigten die Rentabilität. Der 1870-1873 errichtete Wiener Endbahnhof war baugeschichtlich der letzte der großen Wiener Kopfbahnhöfe und kann als Schlusspunkt der ersten großen Entwicklungsepoche des Eisenbahnwesens in Wien angesehen werden. Errichtet wurde der 1.780 m lange Nordwestbahnhof im 2. Bezirk, an jener Stelle, an der sich zuvor das Vergnügungsetablissement „Universum“ befunden hatte. Für den Bau war eine Anschüttung von 1,500.000 m3 erforderlich, und ein Teil des Augartens fiel ihm zum Opfer. Bauleiter war Theodor Reuter, der Entwurf stammte vom deutschen Architekten Wilhelm Bäumer. Das Aufnahmsgebäude verfügte über ein Abfahrtsvestibül von 461 m2 Grundfläche und 12 m Höhe. Wegen des Grundwassers wurden die Souterrainräume mit Bodengewölben aus in Zement gelegten harten Klinkern versehen und - wie auch die aufgehenden Mauern - mit einer Betonschicht verkleidet. Die Unterfahrt auf der Abfahrtsseite trug von Franz Melnitzky ausgeführte allegorische Figuren der bedeutendsten durch die Nordwestbahn erreichbaren Städte. Im Wartesaal der 1. Klasse befanden sich sechs Wandbilder von Hermann Burghart, in dem vom Bildhauer Franz Schönthaler ausgeführten Hofsalon sechs Deckenbilder von Rudolf Winder. Als einziger der großen