Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Eva Offenthaler: Der öffentliche Verkehr in Wien

128 Die Stadtbahn Die am 1. Juni 1898 eröffnete Wiener Stadtbahn ging als Dampfbahn in Betrieb. Für ihre Planung waren ganz bestimmte Kriterien ausschlaggebend - diese bewirkten aber schließlich, dass sie ihren eigentlichen Zweck, sich zu einem Massenverkehrsmittel für die Wiener Bevölkerung zu entwickeln, verfehlte. So musste die Stadtbahn vorwiegend militärischen Anforderungen entsprechen und eine Verbindung der Kopfbahnhöfe der Fembahnlinien miteinander ermöglichen. Daraus resultierte eine Linienführung, die mit Ausnahme der Strecke Hütteldorf-Hauptzollamt-Kai nur Rundverkehr erlaubte, und nicht geeignet war, den Schnellverkehr zwischen Wohn- und Arbeitsstätte herzustellen (wie es Radiallinien ermöglicht hätten). In der Stellungnahme eines Berliner Ingenieurs aus dem Jahr 1908 heißt es: Ein Musterbeispiel für das Unheil, was eine Kommission von an sich verständigen Leuten anrichten kann, ist die immer erwähnte Wiener Stadtbahn ... Für die Linienführung waren alle möglichen Rücksichten (militärische, ästhetische, Eisenbahnfernverkehr usw.) maßgebend, nur nicht die Bedürfnisse des Ortsverkehres, sie ist daher so unheilbar verpfuscht worden, daß es das beste wäre, man bräche sie wieder ab, da sie jetzt nur die Herstellung besserer Anlagen hindert.1 Doch immerhin ermöglichte die Wientallinie die bauliche Erschließung des 13. Bezirkes. Erst mit der Elektrifizierung der Stadtbahn im Jahre 1925 und der Einbindung in das übrige Verkehrsnetz der Stadt konnte die Bahn größere Bedeutung erlangen. Zur Entstehungsgeschichte: Die Schaffung eines Stadtbahnnetzes war schon zur Zeit der ersten Stadterweitemng im Jahre 1857, vor allem aber zur Zeit der zweiten Stadterweiterung 1890 wiederholt diskutiert worden, aber ohne praktisches Ergebnis geblieben. Die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs brachte eine Fülle von Stadtbahnprojekten: Zwischen 1871 und 1873 wurden 26 Projekte und Projektideen beim Handelsministerium eingereicht. Mit der Finanzkrise 1873 trat ein Stillstand ein, doch schon Ende 1880 wurden wiederum 30 Stadtbahnprojekte vom Magistrat der Stadt Wien ausgestellt. Das zur Ausführung bestimmte Projekt sah eine Einteilung des Stadtbahnnetzes in Hauptbahnen (Gürtellinie, Donaustadtlinie vom Praterstem bis Nussdorf, eine Vorortelinie von Penzing über Breitensee, Ottakring, Hernals, Währing bis Heiligenstadt) und in Lokalbahnen (Wientallinie, Donaukanallinie und innere Ringlinie) vor. Dieses in einem Gesetz vom 18. Juli 1892 enthaltene Programm erfuhr wiederholt Abänderungen. Realisiert wurden im Zeitraum 1895-1902 schließlich acht Linien. Ein sehr großer Teil des Stadtbahnverkehrs entfiel auf Ausflügler an Sonn- und Feiertagen, für den eigentlichen innerstädtischen Verkehr wurde die Stadtbahn 1 Zitiert nach: Artur Ertel, Das Wiener Wohnungs- und Verkehrswesen, 6.

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