Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Peter Csendes: Stadt und Technik. Wissenschaftlicher Fortschritt und urbane Entwicklung

11 Arnberger (1823-1892) und Franz Berger (1841-1919) hatten bereits das Polytechnikum absolviert, Berger, der auch Präsident des Ingenieur- und Architektenvereins war, wurde schließlich sogar Ehrendoktor der Technischen Hochschule. Alle folgenden Inhaber dieses Amtes waren bereits Hochschulabsolventen, wie auch generell seit den 1870er Jahren die Anzahl der Beamten mit Hochschulbildung im Wiener Stadtbauamt deutlich zunahm. Die Stadt Wien war selbst ein wichtiger Bauherr, dem auf diese Weise im städtischen Bauamt ein ausgezeichneter Stab an Mitarbeitern zur Verfügung stand, von denen einige auch zu Hochschulprofessoren berufen wurden. Naturgemäß schlugen sich viele Neuerungen im Repräsentativ- und Wohnbau in geringerem Maß nieder als im Ingenieur- und Industriebau, der aber in gleichem Maß Anteil an der Stadtlandschaft gewann. Obwohl diese Industriedenkmale aus dem heutigen Stadtbild vielfach verschwunden oder lediglich als denkmalgeschützte Objekte in neuer Verwendung Zeugen der Vergangenheit sind, war es ihre auf Effektivität ausgerichtete Gestaltung, die zu einer modemen, funktionsorientierten Betrachtungsweise in der Architektur hinführte. Der Fortschritt im Baugewerbe war durch neue Baustoffe - wie etwa die Verwendung des Eisens - wesentlich vorangetrieben worden. Trotz der Jahrhunderte alten Tradition der Eisenverarbeitung in Österreich kamen die für das Bauwesen erforderlichen Produkte zunächst aus dem Ausland: Gusseisen aus England, Schmiedeeisen aus Schweden. Dem folgten die wichtigen Erfindungen des „Puddelstahls“, des Bessemer- und des Thomas-Verfahrens, sodass schließlich Stahl das Schmiedeeisen ersetzte. In Wien gab es die ersten Erfahrungen mit Eisenbauten bei Wienflussbrücken, aber auch bei Oper und Burgtheater bestanden die wesentlichen tragenden Elemente aus Gusseisen. Auch bei schwierigen Dachkonstruktionen (etwa bei Kuppelbauten) setzte man Eisen ein. Beim Dianabad oder bei den Bahnhöfen wurden die eisernen Dachkonstruktionen zu einem Gestaltungselement der Innenräume. Die spektakulärste Anwendung fand der Eisenskelettbau jedoch bei der Errichtung sehr großer Räume, wie den Markthallen. Es ist für die Wirkung der historistischen Ästhetik charakteristisch, dass man zunächst versuchte, den Baustoff Eisen hinter Steinfassaden zu verbergen und sich erst allmählich (Gusseisensäulen) einen gestalterischen Einsatz heranwagte. Unter den modernen Baustoffen spielte seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bereits der Stahlbeton („Eisenbeton“) eine wichtige Rolle. Wohl kamen die Pioniere dieser Bauweise aus Frankreich, doch hatten um die Jahrhundertwende Österreicher an ihrer Entwicklung einen wesentlichen Anteil. Friedrich Emperger, der auch international höchstes Ansehen genoss, Mitbegründer des österreichischen Eisenbetonausschusses war und 1902 die noch heute erscheinende Fachzeitschrift für den Stahlbetonbau begründete, und Rudolf Saliger, Professor an der Technischen Hochschule in Wien, der den Stahlbetonbau als Teildisziplin der Bauingenieurschule durchsetzte, entwickelten eine eigene „Wiener Schule“ dieser Bautechnik. Noch vor dem

Next

/
Thumbnails
Contents