Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Eva Offenthaler: Wiener Brücken
105 dar, der in Wien erstmals beim Bau des Karlskettenstegs 1827/28 verwendet wurde. Zudem wurde durch die Erfindung von Flacheisengliedem die Konstruktion langer Hängebrücken möglich, wie im Beispiel der Sophienbrücke, des Rudolf- und Schikaneder-Kettenstegs über den Wienfluss. Sophienbrücke (Rotundenbrücke). Die nach Erzherzogin Sophie benannte Brücke wurde am 4. Oktober 1825 eröffnet und war die erste Kettenbrücke im Bereich der Stadt. Sie ersetzte eine von Fürst Andreas Rasumofsky 1810-1811 errichtete Steinbrücke, die den Zugang zum Prater erleichterte, aber infolge schwerer Überschwemmungsschäden 1819 abgetragen werden musste. Der von Wasserbaudirektor Johann Kudriaffsky gegründete „Aktien-Verein zum Bau der ersten Wiener Kettenbrücke“ ließ die neue Brücke nach Plänen des Architekten Ignaz von Mitis erbauen. Sie war ursprünglich für Fußgänger und Reiter konzipiert. Ihre Tragketten bestanden aus je zwei übereinander angeordneten Kettensträngen, an denen die Hängestangen befestigt waren. Die Geländer der 71 m langen Brücke waren aus alten Flinten gefertigt. Um die Baukosten zu decken, wurde von jedem Fußgänger eine Maut von 1 Kreuzer eingehoben. Erst 40 Jahre später, am 3. Oktober 1865, wurde diese Brückenmaut aufgehoben. Die Brücke behielt ihren Namen bis zum Zusammenbruch der Monarchie, dann wurde sie in Rotundenbrücke umbenannt. In Anbetracht der zur Weltausstellung 1873 erwarteten Verkehrszunahme wurde 1871-1872 ein Neubau der Brücke vorgenommen. Nach Entwürfen der Bauunternehmer Wegerer, Kistlin und Battig wurde eine massive eiserne Fahrkettenbrücke errichtet, die Ausführung übernahmen die Witkowitzer Werke. Im Jahr 1902 wurde auch die elektrische Straßenbahn über die Brücke geführt. Kleine Ungarbrücke. Diese über den Wienfluss führende Fußgängerbrücke wurde 1898 aus Teilen der ehemaligen Tegetthoffbrücke erbaut und stellt somit ein frühes Beispiel für „Recycling“ dar. Die Vorgängerbrücke war 1870-1872 in der Höhe der Johannesgasse errichtet worden, musste jedoch wegen der Einwölbung des Flussbettes in diesem Bereich abgetragen werden. Die alten, aus Belgien stammenden Eisenteile dieser Brücke wurden beim Neubau teilweise wiederverwendet, die neuen Eisenarbeiten führte die Firma Anton Biró aus. Neben den konstruktiven Elementen wurden auch der Dekor, das reich verzierte Geländer, die alten Kandelaber und die Steinbrüstungen an den Enden der Brücke wiederverwendet. Am 28. April 1899 erfolgte die feierliche Namensgebung der Brücke, die wegen ihrer Lage während der Bauzeit als „Markthallenbrücke“ bezeichnet worden war. Die 11,57 m breite Brücke führte damals vom Stadtpark zur Zentralmarkthalle und in der Verlängerung unmittelbar in die Ungargasse im 3. Bezirk. Heute steht sie unter Denkmalschutz. Radetzkybrücke. Die ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Radetzkybrücke ist der letzte Übergang über den Wienfluss vor dessen Einmündung in den Donaukanal und zählt zu den wenigen technischen Eisenkonstruktionen aus der Zeit des Jugendstils. An ihrer Stelle befand sich ursprünglich eine hölzerne