Ausstellungskatalog „Revolution 1848”

Thomas Kletečka: Einleitung zur Ausstellung

Ausstellung 3. März - 31 August 1998 Einleitung zur Ausstellung von Thomas Kletecka Als die Nachricht von der französischen Februar­revolution die Länder der Habsburgermonarchie - und hier vor allem die Haupt-und Residenzstadt Wien - erreichte, traf sie das vormärzliche, mettemichsche System bereits in emer schweren Krise an, die sich unabhängig von den Panser Er­eignissen entwickelt hatte. Und die Ursachen die­ser Krise lagen nur zum Teil im Politischen; es waren die Finanzen, die Anlaß zur größten Besorg­nis gaben. Die finanzielle Situation des Vormärz war von dem Staatsbankrott des Jahres 1811 und den seit 1815 angelaufenen Bemühungen um die Sanierung der österreichischen Währung bestimmt. Seit dieser Zeit bestand das innige Verhältnis zwischen den Staatsfinanzen und der Oesterreichischen Natio­nalbank, die zum Zweck der Einlösung des wäh­rend der napoleonischen Kriege in Umlauf gebrach­ten inflationären Papiergeldes gegründet worden war. Obwohl die Stabilisierung der Währung eini­germaßen gelang, wies das Staatsbudget stets ein beträchtliches Defizit auf, das nur durch Vorschüsse der Nationalbank und wiederholt aufgelegte An­leihen gedeckt werden konnte. Die Herstellung ei­ner Parität zwischen den Ausgaben und Einnah­men des Staates und die Tilgung der Staatsschuld ist bis 1848 mcht erreicht worden. Kübeck, der seit 1841 die Allgemeine Hofkammer leitete, war bemüht, die staatliche Verschuldung bei der Nationalbank zumindest nicht weiter aus­zudehnen und die Bedeckung der laufenden Aus­gaben über neue Anleihen hereinzubnngen. Sem Konzept ging dahin, durch Reformen des Steuer- und Verwaltungswesens eine zumindest ausgegli­chene budgetäre Situation zu schaffen und mit den - erhofften - Überschüssen die Forderungen der Na­tionalbank schrittweise abzubauen. Diese Reform- poütik unplizierte freilich in weiterer Folge eine, wenn auch vorsichtige und vom Staat gelenkte Öff­nung des erstarrten politischen Systems, sie setzte sozusagen die Modernisierung der Gesellschaft im Habsburgerreich voraus. Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Grenzen der Machbarkeit dieser Kübeckschen Bemühungen ® unter dem vormärzlichen System aufgezeigt. Die Mißernten der letzten Jahre vor 1848, die eine all­gemeine ökonomische Verschlechterung bedingten, wodurch auch das präliminierte Steueraufkommen mcht zustandekam, und die zunehmende politische Destabilisierung im In- und Ausland verringerten die Aussicht auf einen halbwegs stabilen Haus­haltsplan. Der Hofkammerpräsident hatte auf Grundlage eines Vieijahresplanes, der ein Defizit von 90 Millionen fl. vorsah, für 1847 einen Ab­gang von 21 Millionen fl. eingesetzt und mit ei­nem Wiener Bankenkonsortium, dem u.a die Bank­häuser Rothschild und Sina angehörten, eine un­ter den gegebenen Umständen günstige Anleihe ab­geschlossen, die dem Staat eine jährliche Zufuhr von 15,5 Millionen fl. garantierte. Sollte allerdings der Kurs der Metalliques unter 98 sinken, war das Konsortium berechtigt, das Abkommen zu kündi­gen. Somit schien das laufende Budget abgesichert zu sein. Doch das geringere Steueraufkommen und die Mehrausgaben der Zivil- und Militärverwal­tung bewirkten unter dem Strich em nicht gedeck­tes Defizit für das Jahr 1847; der Staatsvoranschlag für 1848 wies ein Defizit von 27,4 Millionen fl. aus. Die europaweite Geldknappheit, die sich in den sin­kenden Börsenkursen widerspiegelte, ließ befürch­ten, daß die Auflösungsklausel des Abkommens mit dem Bankenkonsortium jederzeit in Kraft tre­ten könnte. Zwar gelang es Kübeck gegen Ende 1847 die Wiener Bankhäuser zu einer vorzeitigen Auszahlung von Barmitteln zu bewegen, doch reichten diese lediglich dazu aus, das nicht einge­plante Defizit kurzfristig zu decken. Zu dieser kon­tinuierlichen, durch wirtschaftliche Faktoren be­dingten budgetären Krise kam nun ein weiterer Faktor hinzu, der seine Ursache in der auf die Er­haltung des status quo bedachten reaktionären Po­litik des Vormärz hatte. Die außenpolitische Ent­wicklung - der Schweizer Sonderbundkneg und die Bewegung in den italienischen Staaten - ver- anlaßten Radetzky, den Befehlshaber der österrei­chischen Südarmee, auf eine Erhöhung seiner Truppenstärke zu drängen. Radetzky verfügte Mitte 1847 über 50 000 Mann; unter der Prämis­se, die österreichischen Interessen im Fall des Fal­les mit Erfolg verteidigen zu können, forderte er eme Truppen Verstärkung auf 150 000 Mann. In zähen Verhandlungen, bei denen Kübeck auf die

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