Ausstellungskatalog „Revolution 1848”
Róbert Hermann: Die Revolution zweier Hauptstädte - Wien und Pest
Ausstellung 3. März - 31. August 1998 Am 15. März, nach dem Sieg der Wiener Revolution, versprach Ferdinand I. seinem Volk, eine Verfassung zu gewähren. Die am 25. April herausgegebene Verfassung bezog sich auf Österreich, Böhmen, Galizien und die Bukowina, nicht aber auf Ungarn und die Lander Lombardei und Venedig. Nach dem allgemeinen Teil der Verfassung „wird für alle Völker die Unversehrtheit ihrer Nationalität und ihrer Sprache garantiert.” Dem Kaiser wurde darin Vollmacht bei den Ernennungen von Ministem, militärischen und Oberbeamten eingeräumt, darüber hinaus verfugte der Herrscher neben dem Recht auf Kriegserklärung, Friedensabschluß und Verhandlung mit ausländischen Mächten auch über ein Vetorecht bezüglich der Sanktionierung von Gesetzen Durch die Verfassung wurde eine Gesetzgebung mit zwei Kammern geschaffen, wobei die Abgeordnetenkammer im Verhältnis der Einwohnerzahl der Länder gewählt worden wäre, und den Senat hätten die Fürsten des Herrscherhauses, die vom Herrscher Ernannten und die von den größeren Grundbesitzern gewählten 150 Mitglieder gebildet. Wegen Passagen in der Verfassung, die eme Übermacht des Kaisers garantierten, brachen m Wien Demonstrationen aus, und das Pülersdorf-Ministerium, das die Ficquelmont- Regierung ablöste, machte die Versprechung, eine Gesetzgebung mit einer Kammer einzuberufen. Das ungarische konstitutionelle System - geschaffen durch die April-Gesetze - war liberaler als das österreichische. Letzteres erschien jedoch - wegen seines Inhaltes bez. der Unversehrtheit, der Nationalität, der “Volksrassen” und ihrer Sprachen - für die nationalen Minderheiten in Ungarn mehr erwünscht als die ungarischen Gesetze, die „nur” die bürgerlichen Freiheitsrechte beinhalteten. Die Revolutionen in den beiden Hauptstädten und Ländern haben einander also zum Sieg verholfen. Der Revolutioruerung Wiens gab die Rede Kossuths am 3. März emen entscheidenden Schub. Den Erfolg der Delegation des ungarischen Landtags beeinflußte grundlegend der Sieg der Revolution in Wien. Sie inspirierte auch die Pester Revolution vom 15. März. Dieses Aufeinander-Angewiesensein bestand ganz bis Ende Oktober 1848, inzwischen nahm jedoch der Einfluß der politischen Kräfte mit Gegeninteressen stets zu. Nicht nur der kaiserliche Hof und die Amts- und Militäraristokratie, die das Reich bis dahin geführt hatten, verzichteten nicht darauf, Ungarns untergeordnete Situation vor 1848 wiederherzustellen, sondern auch die einander ziemlich oft abwechselnden österreichischen bürgerlichen Regierungen setzten sich dieses Ziel. Die außenpolitischen Verhältnisse waren allerdings nicht gerade günstig für diese Bestrebungen. Die von Radetzky angeführte k.k. Armee stand im Kampf gegen die Aufständischen und die regulären Truppen des Königreichs Sardinien-Piemont in der Lombardei. Infolge der sich entfaltenden deutschen Einheitsbewegung bestand die Möglichkeit, daß die Länder des Habsburgerreichs mit deutscher Bevölkerung in dem entstehenden einheitlichen deutschen Staat verschmolzen. In diesem Fall hätte eine Ungam-zentnsche Umorganisation des Reiches beginnen können. Der Kern dieser großunganschen Konzeption bestand darin, daß nicht nur die nicht-deutschen Gebiete des Reiches unter ungarische Führung gelangt wären, sondern auch das serbische und das rumänische Fürstentum hätten sich - dank der natürlichen Anziehung des neuen Staatsgebildes - der ungarischen Krone angeschlossen. Dies erklärt, daß die ungarische Regierung - als der Hof am 17. Mai auf die Wirkung eines weiteren revolutionären Kerns Wien verließ und nach Innsbruck floh - den Herrscher sofort nach Buda einlud, in der Hoffnung, in diesem Fall ihre Situation stabilisieren, mehr noch: das zweifelsohne ruhigere Budapest als seine zwei Rivalen Wien und Prag eventuell zum Zentrum der Monarchie machen zu können. Den ersten Zusammenstoß zwischen der österreichischen und der ungarischen Regierung führte die Frage der österreichischen Staatsschulden herbei. Allem deren Zinsen beliefen sich 1848 auf 30 Millionen Forint. Als Vergleich: vom 5. August 1848 bis zum 10. August 1849 setzte die ungarische Regierung das Zweifache dieser Summe em, von welcher Zweidnttel die Kriegsausgaben bedeuteten Die ungarische Seite w;ar im Frühling 1848 nicht gewillt, emen Anteil an den österreichischen Staatsschulden zu übernehmen, da diese ohne das Land zu fragen gemacht und nicht für das Land ausgegeben wurden. Das Argument war vollkommen korrekt, die konsequente Anw endung konnte jedoch die finanzielle Lage des Reiches und seine Großmachtstellung erschüttern. Es wurde nämlich in Abrede gestellt, ob Ungam an der AufVechter- haltung der Monarchie interessiert war. Die ungarische Seite befand sich natürlich ebenfalls in einer Falle, denn die Regierung übernahm eine fast leere Staatskasse, weil die Reichsregierung vier Fünftel der bis Mitte April eingenommenen Einkünfte für die Regierungsbildung bereits aus dem Land herauspumpte. Im Juli schloß Batthyány eme ©