700 Jahre Schweiz
III. Hegemonie oder Partnerschaft?
trägt sie bis heute den zusätzlichen Titel „Vierter Thail der Tyrolischen Landsfürstlichen Regalien und Gerechtsamen . . Als Einleitung gibt Burglehner eine Übersicht über die Geschichte der Drei Bünde (d. h. des Grauen oder Oberen Bundes, des Gotteshausbundes und des Bundes der Zehngerichte), um dann in extenso die österreichischen Ansprüche auf die Herrschaft Rhäzüns, auf Rechte im Unterengadin und Münstertal und auf die Achtgerichte anzuschließen. Als letzter Abschnitt sind die gemeinsamen Verträge aller Drei Bünde mit Österreich wiedergegeben. In der Hauptsache begegnen wir also in der „Raetia Austriaca“ einer Abschriftensammlung von Urkunden, Akten, Briefen und Auszügen aus Weistümem als Beweismittel für die österreichische Herrschaft. Die Fülle des historischen Quellenmaterials - durchsetzt von eigenen Kommentaren - darf uns nicht wundem, denn selbstverständlich konnte Burglehner für den Aufbau seines Buches das Innsbrucker Archiv nützen. Diese Reichhaltigkeit hat immer wieder die Bündner Geschichtsschreibung angezogen, wenn auch stets über die Einseitigkeit und Gehässigkeit des Autors geklagt wurde. Derartige Vorwürfe gehen jedoch ins Leere, denn Burglehner konnte und wollte keine historiographische Leistung schaffen, die an heute geltenden wissenschaftlichen Kriterien gemessen werden kann. Eher trifft die Bezeichnung „Weißbuch“ (Sprecher S. XVII) aufgrund der Zweckgebundenheit zu: Man brauchte eine Zusammenstellung dieser Art für die wiederholten Verhandlungen mit den Graubündnem in den Jahren 1621 und 1622. Spannungen wegen Grenzziehungen und damit zusammenhängenden Problemen von Grund- und Gerichtsherrschaft gingen bis ins 13. Jahrhundert zurück, der Schweizer Krieg 1499 (siehe n. 13) war nicht zuletzt aufgrund von Grenzfragen ausgebrochen, und zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatten die blutigen religiösen Auseinandersetzungen der „Bündnerwirren“ ein Übriges getan, um chaotische Verhältnisse entstehen zu lassen. Dies mußte die Casa de Austria - Österreich wie Spanien - beunruhigen, da einerseits der militärische Durchzug vom spanischen Mailand in die spanischen Niederlande durch das Veltlin und Tirol und andererseits die österreichischen Herrschaftsrechte gefährdet waren. Gespräche der Beteiligten in Innsbruck und Imst sollten eine Lösung bringen. Da Burglehner das Juli-Treffen in Imst als beendet erwähnt, müßte sein „Weißbuch“ für die Konferenz im Oktober 1621, wiederum in Imst, in fieberhafter Eile erstellt worden sein. Aber die Beratungen blieben ergebnislos: Noch 1621 besetzten österreichische und spanische Truppen das Veltlin (für das weitere siehe n. 22). Lit.: Hermann Wiesflecker Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende der Neuzeit 2 (Wien 1975) S.326, 330; Handbuch der europäischen Geschichte, hg. v. Theodor Schieder, 3 (Stuttgart 1971) S. 339 f, 894; Matthias Burglehner: Raetia Austriaca 1621, bearb v. Anton v. Sprecher 1 (1990) S. IX- XVII. Th 38