Österreich und das Heilige Römische Reich
INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648
ständischer Kaiser sein, dessen Politik nicht von den Interessen der europäischen Mächte bestimmt wurde. Stattdessen wurde der Wittelsbacher zum Spielball der europäischen Mächte. Die Regierungszeit dieses gutwilligen, aber machtlosen Kaisers wurde zum allgemeinen Fiasko. Sie hatte allerdings weit reichende Folgen für das Verhältnis Österreichs zum Reich. Es spielte kaum eine Rolle bei den Schwierigkeiten, die Kaiser Karl VII. in den drei Jahren seiner Regierung als Kaiser hatte, dass Maria Theresia die Wahl nicht anerkannte. Erheblich wichtiger war, dass die Einrichtungen des Reiches, Reichskanzlei und Reichshofrat von Wien nach Frankfurt zogen. Österreich war in seinem Schicksalskampf auf sich gestellt. Das Reich und Österreich hatten sich getrennt. III Als Karl VII. am 25. Januar 1745 starb, herrschte Ratlosigkeit, wer sein Nachfolger werden sollte. Ludwig XV., der das Kaiserabenteuer des Wittelsbachers finanziert hatte, schlug vor, das Reich wie die Schweiz oder Holland zur Republik zu erklären und den Kaiser abzuschaffen". Diese nur in Italien und Friedrich II. von Brandenburg-Preußen vorgetragene Idee fand keine Zustimmung. Ein Dreivierteljahr später wurde der Gemahl Maria Theresias, Franz Stephan von Lothringen zum Kaiser gewählt. Welche Rolle künftig das Reich in der Wiener Politik spielen würde, enthüllte Maria Theresias Bemerkung, als Franz I. sie bat, sich zur Kaiserin krönen zu lassen: sie wolle diese Komödie nicht mitspielen. ln Wien wurde nun in erster Linie österreichische Politik betrieben. Maria Theresias Ziel war die Rückeroberung Schlesiens, der sie alles andere unterordnete. Ihr Gemahl Franz Stephan musste sich im Reich gegen die Politik Friedrichs II. und des Corpus evangelicorum durchsetzen, denen es im Grunde darum ging, das Kaisertum in seinen Rechten weiter auszuhöhlen. Franz Stephan besaß als Kaiser nur geringen Einfluss auf die Politik des Wiener Hofes. Das Reich wurde auch im Spiel der europäischen Mächte als ein quantité négligeable angesehen. Als der spätere Staatskanzler Kaunitz als österreichischer Botschafter in Paris 1749 erste Fühler in Richtung auf ein österreichisch-französisches Bündnis ausstreckte, stieß er auf klare Ablehnung. Es war nicht nur der alte Gegensatz gegen Österreich, der hier zum Vorschein kam. Man hatte in Paris auch Zweifel an der Bündnisfähigkeit einer Macht gegenüber, die mit unwägbaren Besonderheiten des Reiches belastet war. Vor dem Versuch, Friedrich in einer Koalition mit Frankreich und Russland zur Herausgabe Schlesiens zu zwingen, warnte Franz mehrfach. Die europäischen Mächte hatten Maria Theresia im Frieden von Aachen 1748 gezwungen, auf " Vgl. Aretin, Karl Otmar v.: Das Alte Reich, 1648-1806, Band 2, Stuttgart 1987, S. 461 ff. 20