Österreich und das Heilige Römische Reich
INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648
Mit diesem schwer zu durchschauenden System schaffte es Leopold I., das Ansehen des Kaisers nach dem Westfälischen Frieden trotz dessen gegen das Kaisertum gerichteten Bestimmungen wieder herzustellen. Natürlich hatte seine Reichspolitik auch Schwächen. Eine davon betraf seine Finanzpolitik. Es ist ihm nie gelungen, aus eigenen Mitteln eine schlagkräftige kaiserliche Armee aufzubauen. Durch seine Unterstützung der Landstände erreichte er, dass die Privatarmeen der Fürsten verfielen. Die Armeen des Kaisers in den Kriegen gegen Ludwig XIV. und in den Türkenkriegen wurden durch Subsidien auswärtiger Mächte finanziert. Über Subsidien gelang es auch einigen Fürsten, Armeen zu unterhalten, mit denen sie sich an den Kriegen der Zeit beteiligten. Die Zerstörung der Pfalz im Pfälzer Erbfolgekrieg und die Leiden der Reichsstände im Westen konnten von Leopold nicht verhindert werden. Den Aufstieg der größeren Reichsfürsten zu selbständigen völkerrechtlichen Subjekten konnte er zwar durch seine Unterstützung der Landstände behindern, doch musste er zu Beginn des 18. Jahrhunderts hinnehmen, dass erst der Kurfürst von Sachsen als König von Polen und wenig später der Kurfürst von Brandenburg als König von Preußen zu internationaler Bedeutung aufstiegen. Als Herrscher Österreichs gelang es Leopold, in bescheidenem Umfang Reformen durchzuführen. Durch seine betont katholische Politik, die auch im Reich oft mit Befremden registriert wurde, und die er mit großer Härte in Ungarn durchführte, erlebte er einige Rückschläge. Trotzdem gelang es ihm, seinen Herrschaftsbereich in Ungarn beträchtlich zu erweitern. Eine Ergänzung, die für die spätere österreichische Politik in Italien wichtig war, ging von der Reichsitalienpolitik Leopolds I. aus. Mit derselben Zähigkeit, die er in seiner Politik den mächtigeren Reichsständen gegenüber zeigte, erneuerte er die Rechte des Reiches auf Lehen in Oberitalien. Sowohl gegenüber den Türken, wie in Italien gab er der künftigen österreichischen Politik wichtige Impulse. Seine große Hoffnung betraf das spanische Erbe. Die ältere Tochter Philipps IV. von Spanien hatte Ludwig XIV. geheiratet. Die jüngere Tochter war die erste Gemahlin Leopolds. Von ihr hatte er nur eine Tochter. Seinen Erbanspruch leitete er von der durch viele Ehen zwischen den habsburgischen Linien befestigten Verbundenheit und Einheit des Hauses Habsburg ab. Als der letzte spanische Habsburger, Karl II. am 1. November 1700 starb, hinterließ er ein Testament, in dem er den Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou zum Erben des spanischen Weltreiches einsetzte. Die Seemächte, durch den Pfälzer Erbfolgekrieg erschöpft, erkannten das Testament an. Erst als Ludwig XIV. den Fehler beging, seinen Enkel nicht aus der französischen Erbfolge zu entlassen und die Gefahr bestand, dass in der Vereinigung von Frankreich und Spanien ein gewaltiger Machtblock entstehen würde, begannen sie sich für die Rechte Leopolds zu interessieren. Zunächst stand Österreich allein da. Da es sich um Interessen des Hauses Habsburg handelte, war auch die Erklärung eines Reichskrieges gegen Frankreich fürs erste nicht durchzusetzen. Leopold war aber nicht gewillt, das spanische Erbe kampflos seinem Feind Ludwig XIV. zu überlassen. 14