Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 26. (Budapest, 2008)

Imre TAKÁCS: Opus duplex in der Goldschmiedekunst des 13. Jahrhunderts und die höfische Kultur

Papst Bonifaz VIII. aus der Zeit zwischen 1295 und 1298 regelmäßig vor - meistens mit dem Attribut veneticum ergänzt. 20 Der päpstliche Schatzmeister, der das Inventar von 1298 anfertigte, dachte vielleicht auch dann an Gegenstände dieses Typs, wenn er noch ganz selbstverständlich den Begriff ad imagines elevatas, anderswo aber opus duplex cum bominibus et bestiis relevatis verwendete und mit Sicherheit darauf deuten wollte, dass die gegebene Kanne nicht einfach gegossen oder mit einem Reliefbeschlag verziert ist, sondern die als Reliefwerk erscheinenden Ranken und Figuren sich von der Basis abheben und in Richtung der freistehenden Plastik räumlich zur Geltung kommen. 21 Als Gegenteil davon kann man den Ausdruck opus duplex planum in den Inventaren auffassen, der entweder dem tra­ditionellen Filigran entspricht oder aber ein rankenverzierter Gegenstand sein will, wo das Rankengeflecht als sich an die Basis schmiegendes tatsächliches Relief erscheint, wie es am ehesten aus dem Umkreis von Hugo d'Oignies von Namur bekannt ist. 22 Aufgrund des Wortschatzes der päpstlichen Inventare gelangte Irene Hueck zu der Schlussfolgerung, dass die Synonyme releva­tum und veneticum, das technische Verfahren nur in Venedig aufkommen konnte, d.h. die Heimat des mitteleuropäischen opus duplex ist Venedig. Mit ihrer Behauptung schloss sie sich einerseits Hahnloser an, der seine These im Zusammenhang mit dem Fuß der in Venedig angefertigten Kristallkanne aus der St.-Wenzel-Kapelle im tschechischen Stará Boleslaw bereits vor einigen Jahren formuliert hatte, 23 andererseits aber auch Erich Steingräber, der die Kunstwerke aus dem 15.-16. Jahrhundert in der Schatz­kammer von Venedig aufarbeitete und eine ähnliche Meinung wie Hahnloser vertrat. 24 Man muss auf diese bis heute nicht beruhi­gend abgeschlossene Frage noch einmal zurückkommen, um ein genaues Bild über die künstlerische Landkarte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, über das kul­turelle Zusammenwirken und die Arbeits­teilung in Europa, inbegriffen die Rolle der Herrscherhöfe, zu bekommen. Ganz sicher wird nicht ein einziger Schlüssel dieses Schloss öffnen, aber unter den Schlüsseln stellt die untenstehende Diademserie ­allein schon ihres ganz sicheren höfischen Ursprungs wegen - den wichtigsten dar. Ohne diese kann weder die ästhetische noch die historische Bewertung der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angefertigten Opus-duplexeerke vorgenommen werden, ohne diese würde gerade aus der an eine vornehme Bestimmung geknüpften Kunst­werkgruppe die Krone fehlen. Die Krakauer Kronen Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der sich mit den Opus-duplex-Diademen be­fassenden Kunsthistoriker stehen diese bei­den ursprünglich ganz sicher als weiblicher Kopfschmuck gedachten Diademe, deren auseinandermontierte Stücke in sekundärer Verwendung an dem berühmten „Kronen­kreuz" in der Kathedrale von Krakau erhal­ten geblieben sind. 25 (Abb. 11) Über den Ursprung der auf ungewöhnliche Weise an ein Kreuz befestigten Kronen berichten glaubwürdige Quellen, die an die 1224 geborene Tochter Kinga des ungarischen Königs Béla IV. geknüpft sind. Sie wurde 1239 mit dem Krakauer Herzog Boleslaw dem Kühnen verlobt, ging 1279 ins Kloster und verstarb dort 1292. In der um 1320 ver­fassten ersten Biographie der bald nach ihrem Tode als Heilige verehrten Prinzessin ist eine Kronendarbietung für die Kat­hedrale von Krakau erwähnt, mit dem Ziel, davon ein Kreuz anzufertigen. 26 Der 1401 erneut geschriebenen Biographie sowie der

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