Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 22. (Budapest, 2003)
Éva CSEREY: Nachahmungen von Nürnberger Renaissanceofenkacheln
Renaissancekeramikkunst - ihr Meister, ihr ursprünglicher Standort, ihr Aufbewahrungsort - bekannt, aufgrund dessen diese Nachahmungen angefertigt wurden? Auf diese Frage kann eine ganz bestimmte bejahende Antwort gegeben werden. Denn in einem der berühmten Kunstdenkmalgebäude Nürnbergs, in dem alten Förster-Haus, stand einst diese imposante Schöpfung des Kunstgewerbes. Einer erhaltengebliebenen Darstellung zufolge 22 war an der einen Seite des Unterbaus des aus zwei Teilen bestehenden Ofens eine Kachel mit einem Herkulesrelief (Abb. 9). An drei Seiten des Oberbaus wiederum war die eigenartige Variante eines ebenfalls über große Tradition verfügenden Darstellungstyps. Es handelt sich hierbei um drei Personen der „neun guten Helden", die hier in diesem Zusammenhang die legendäre Antike, das Altertum, vertreten: Hektor, Alexander der Große und Julius Cäsar. 23 Aufgrund der Signatur und Jahreszahl an einer der Kacheln konnte die frühere Forschung bereits feststellen, daß sie im Jahre 1622 von Georg I. Leupold (t 1632) angefertigt worden waren. 24 Besondere Aufmerksamkeit und zweifellos auch weitere Untersuchungen erfordern zwei rundplastische Karyatiden, die zwei Seiten des Unterbaues dieses Ofens zieren. Zwei - als Torso zu bezeichnende - Fragmente dieses Darstellungstyps befinden sich außer im Material der Sammlung des Kunstgewerbemuseums in Budapest (unter den geschenkten Stücken) 25 auch in der Kunstgewerbesammlung des Stadtmuseums in Sopron. 26 Wie bereits erwähnt, wurden authentische Kachelofennachahmungen in den siebziger bis neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts von zwei Nürnberger Firmen - C. W. Fleischmann bzw. Theodor Lunz - in anspruchvoller und sicher auch in beträchtlicher Menge angefertigt. 27 Im Laufe unserer Forschungen hatten wir die Gelegenheit, die Musterbücher dieser beiden Firmen durchzusehen, diese bebilderten Kataloge mit den Illustrationen ihrer Öfen und Ofenkacheln. Die beiden bedeutenden renaissancezeitlichen Ofentypen - die Variante mit den Passionsszenen bzw. die mit den illustren Persönlichkeiten der Antike - sind in beiden Katalogen angeführt. 28 Der Aufbewahrungsort der Originalstücke - aufgrund derer die Nachahmungen angefertigt worden waren - ist in den Musterbüchern im allgemeinen angeführt. In dem Katalog der Finna Fleischmann allerdings fällt bei dem Kachelofen mit Passionsszenen dieser Hinweis, und auch in den Legenden der beigefügten Illustrationen ist nur der Name der Herstellungsfirma angegeben. (Abb. 10.) So kommt einem an sich schon viel aussagenden Teil in dem Musterbuch von Theodor Lunz besondere Bedeutung zu. Unter Posten Nr. 12 ist ein (großer) Ofen dargestellt, dessen Unter- und Oberbau gleichermaßen aus Kacheln mit Passionsszenen besteht. Der zu dem Bild gehörende Text - am Ende des Buches - vermittelt eine grundlegende wichtige Information über den ursprünglichen Standort der Schöpfung, nach der die Nachahmung angefertigt worden war: „Ofen, dessen Original sich auf der kaiserlichen Burg zu Nürnberg befindet. Die einzelnen reichhaltig verzierten Kacheln enthalten Christus am Olberg, Gang nach Golgotha, Grablegung Christi, Christi Auferstehung, Himmelfahrt Christi. ... In den Oberkasten werden die vier Evangelisten angebracht. Der Ofen hat reichhaltige Gesimsverzierungen." Aufgrund dieses und weiterer Teile der Musterkataloge kann man mehrere Schlußfolgerungen ableiten. Einerseits darüber, daß in den Sälen der Burg von Nürnberg in den Jahren um 1600 wenigstens eine, aber wahrscheinlich doch eher mehrere Varianten dieses Ofentyps existierten. Bei der einen Variante waren - wie aus dem Zitat hervorgeht - am Oberbau die Gestalten von Evangelisten. Der Oberbau des zur anderen Variante gehörenden Ofens war wie das die oben erwähnten Illustrationen beweisen - mit Passionsszenen verziert. Es ist aber auch sehr wahrscheinlich, daß noch eine weitere, eine dritte Variante existiert hat, an deren Oberbau sicher allegorische Frauengestalten der christlichen Tugenden dargestellt waren. Als ein Stück der aus letzteren zusammengestellten Serie kann man die mit der