Forgács Éva (szerk.): Ars Decorativa 9. (Budapest, 1989)
SZILÁGYI András: Ignaz Wilhelm Dermer ötvösmüvei Magyarországon
ein Fahnenflüchtiger, der im Jesuitenkloster Zuflucht gefunden hatte, nahm — verkleidet — an der Fronleichnamprozession teil. Seine Kameraden erkannten und verhafteten ihn, im Handgemenge entfiel die Monstranz der Hand des die Prozession anführenden Priesters und kam auf den Boden. 22 Das diesenorts stehende Bundesladendenkmal wurde, gemäss seinem umfangreichen lateinischen Text, im Auftrag des Kaisers Karl VI ein Jahr dem Ereignis, 1731 errichtet. Sicherlich war dieses Ereignis die Ursache der Anfertigung der neuen Monstranz. Die Skizze der Komposition des Győrer Bundesladendenkmals ist, mitsamt der die Frömmigkeit des Herrschers lebenden Aufschrift am Postament, in dem Manuskript Nr. 7853 der Wiener Nationalbibliothek zu finden. Dieser berühmte AlbrechtCodex enthält die Konzepte — Entwürfe, Programmbeschreibungen, Anweisungen zur Ausführung, fallweise auch die Kosten — jener Denkmäler, Bauplastiken, Votivaltäre, in manchen Fällen sogar von Goldschmiedearbeiten, deren Herstellung Karl VI bzw. dem Kaiserhof, der in seinem Namen handelte, zwischen 1718 und 1738 in Auftrag gegeben wurde. 23 Im Albrecht-Codex finden wir jedoch gar keinen Hinweis, der mit dem Auftrag der Györer Monstranz im Zusammenhang stände. In einem handgeschriebenen Buch, das in Győr aufbewahrt wird und die der dortigen Jesuitenkirche und -Kloster gemachten Schenkungen aus dem Zeitraum 1650 und 1757 registriert, steht allerdings eine kurze Bemerkung, die zweifelsohne auf die Monstranz von Dermer bezogen werden kann. Laut Eintragung trugen im Jahre 1730 ein Unbekannter fünfzig, und der „allergnädigste Kaiser" hundertfünfzig Florine zu den Kosten der neuen Monstranz bei. 2 ' 1 Würde diese kaiserliche Schenkung nur soviel bedeuten, dass der Hof genannte Summe den Jesuiten in Győr zur Verfügung gestellt hat, zur Finanzierung der Herstellungskosten der Monstranz? Die Eintragung legt allerdings diese Lösung nahe, schliesst zugleich aber nicht aus, dass irgendeine Persönlichkeit am Hof, die sich in solchen Angelegenheiten auskannte und dafür auch zuständig war, zum Beispiel Graf Conrad Albrecht, eventuell ein anderer, eine Rolle bei der Konzipierung des Programms der Darstellung an der neuen Monstranz gespielt hat. Die benannten und als Analogie angeführten, ähnlich interpretierbaren Denkmäler scheinen diese Möglichkeit nicht zu bestätigen, sondern — im Gegenteil — eher zu dementieren. Die Behandelten Fresken, sowie die Illustration des Thesenblattes von Tannenberg entstanden — mit Ausnahme des Deckengemäldes in Bamberg — nämlich nicht im Auftrag des Wiener Kaiserhofes; sie wurden Anregung des Grafen Wenzel Adalbert von Sternberg, der Erzäbte des Benediktinerstiftes von Kremsmünster und des Augustinerchorherrenstiftes von Sankt Florian, ferner eines einflussreichen Jesuitenprofessors der Wiener Universität angefertigt. Und wenngleich nicht sie es waren, die die einzelnen Elemente unabhängig voneinander ausgestaltet haben, existierte dennoch ein ziemlich breiter Kreis von Auftraggebern — alle engagierte Anhänger der Reichspolitik der Habsburger —, der in den Jahren um 1700 mit Vorliebe von dem ikonographischen Schema Gebrauch machte, dessen Gedankenwelt wir im Darstellungsprogramm der Györer Monstranz antreffen. Es lohnt sich, dieses Programm vom inhaltlichen Gesichtspunkt aus mit jenen Werken zu vergleichen, die unter der Herrschaft Karls VI und auf seine Initiative hin in Ungarn angefertigt wurden. In dieser Beziehung sollten vor allem die