Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 6. (Budapest, 1979)
SZILÁGYI, András: Unbekannte Werke aus dem 16—17. Jahrhundert in der Sammlung für Kleinplastik
einer kleineren Siedlung in der Nähe von Joachimsthal. Ihre Funktion war dem Kult der Reliquien ähnlich; er gehörte nicht zu den Altargeräten sondern zu den Kleinoden der Kirche. Damals war dieses Stück bloss an bestimmten Feiertagen, zum Beispiel zu Ostern, am Feier der Auferstehung zu betrachten. Betreffs Provenienz, d. h. Ursprung und frühere Besitzer des Handsteins stehen uns keine historische Daten zur Verfügung. In der Kunstgattung des Bronzegusses erlangen vom 16. Jahrhundert an die für profane Zwecke hergestellten Gebrauchsgegenstände das Übergewicht. Zugleich entstanden in den Gusswerkstätten in grosser Anzahl Werke auf kirchliche Bestellung, zu diesen gehören unter anderen die Kusstafeln. In besonders grosser Zahl finden wir unter ihnen solche Stücke, deren figurale Darstellung — der tote Christus mit Maria und Johannes dem Evangelisten — zu einer Plakette des Moderno zurückzuführen ist. In den europäischen Museen und Privatsammlungen sind zahlreiche Gegenstände dieser Art zu finden, unser Museum bewahrt zwei Stücke dieses Typus 29 (Abb. 6, 7.). Man hat die beiden Kusstafeln als italienische Werke aus dem 16. Jahrhundert betrachtet. Die mit ihnen in engem Zusammenhang stehenden analogen Werke schreibt jedoch die neuere Forschung den niederländischen Gusswerkstätten zu. Als Grund der neuen Bestimmung diente die charakteristische Ausbildung des Rahmens dieser Arbeiten. Die Motive, die den Rahmen dekorieren, sind für die Ornamentik des niederländischen Manierismus bekennzeichnend. Die Werke Modernos waren nicht nur in Italien, sondern auf weiteren Gebieten, vor allem in Süddeutschland und in den nordeuropäischen Provinzen allgemein bekannt. Auch dieser Umstand unterstützt die Bestimmung der neueren Forschung/' 10 Um den Herstellungsort näher festzustellen gibt uns die Funktion des Stückes einen gewissen Anhaltspunkt. Die Kusstafel war nämlich in der katholischen Liturgie in Gebrauch. Auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts fällt in den Niederlanden der Zeitraum der raschen Verbreitung der Reformation; die katholische Religion wird im nördlichen Teil der Niederlande stark in den Hintergrund gedrängt. Im Süden gelang es aber dem katholischen Glauben ihre Positionen zu behalten, die dann von der zweiten Hälfte des Jahrhunderts durch Raumgewinn der Gegenreformation noch weiter verstärkt wurden. 31 Zur gleichen Zeit sind die italienischen Beziehungen vor allem für die Kunst des südlichen Landteils bezeichnend. Den italienischen Einfluss hält man in gewissen Kunstarten, unter anderem im Bronzeguss für bedeutend.' 1- Aus diesem Grunde nahmen wir an, dass die in unserer Sammlung aufbewahrten zwei Werke — zahlreichen analogen Kusstafeln ähnlich (Abb. 8.) — in einer Antwerpener oder Mechelner Werkstatt, zwischen 1550 und 1600 verfertigt wurden. 6. KUSSTAFEL, BRONZE, VERGOLDET. NIEDERLANDE, 2. HÄLFTE 16. JH. MUSEUM FÜR KUNSTGEWERBE 80