Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 6. (Budapest, 1979)
CSERNYÁNSZKY, Mária: Kasein „cum cruce veneciana"
Musterbestand ist nicht reichhaltig. Für die Madonna, Apostel und Heilige dienen oft dieselben Musterzeichnungen, vor allem auf den Querbalken, manchmal auch auf den Längsbalken. Dabei werden die Vorlagen geschickt variiert: in entgegengesetzter Anordnung, mit verändertem Attribut, kürzerem oder längerem Bart wandelt man geschickt das Grundschema für immer andere Figuren ab. Für sie alle ist bezeichnend, dass man die einzelnen Elemente gesondert auf Leinengrund stickte und sie erst danach auf den gleichfalls gestickten Goldgrund aufnähte. Mit dieser Methode konnte man den, das Programm der Dargestellten betreffend, besonderen Wünschen der Besteller leicht nachkommen. Der berühmte erste Direktor des Museums für Kunstgewerbe, Jenő Radisics, schrieb über diese Stücke in der Publikation anlässlich der Millenniumsausstellung (1896): „Wo soll man die Werkstatt dieser Gruppe suchen, in welcher Gegend Ungarns? Ich finde keine Antwort darauf; denn wir finden solche in Esztergom, aber auch am Alföld (in der grossen ungarischen Ebene). Soviel ist sicher, dass die Werke von einem gut eingerichteten Centrum aus geliefert wurden, wo sich auch eine besondere Art der Routine entwickelt hatte." 20 Die Herkunft betreffend, wissen wir jetzt schon bestimmt, dass es Venedig ist. Trotzdem bleibt der Begriff „Routine" und die auf die Gruppierung bezügliche Feststellung noch heut bestehend. Diese seine scharfe Beobachtung nützte man später 6. KASEL NR. 3. VENEDIG, ENDE 15. JH. MUSEUM FÜR KUNSTGEWERBE nicht aus, denn das Interesse hatte sich inzwischen der prachtvollen, grossgemusterten Samtbrokaten der Messgewänder zugewandt; dadurch kamen ihre, in kleinerem Massstab subtil gefertigte, wertvolle Stickereien völlig ins Hintertreffen. Später hat man die venezianische Herkunft vermutet, zwar nicht konsequent. Erst im Jahre 1964 hat Edit Egyed in ihrer Abhandlung über die Vethésy-Kasel 21 auf den Zusammenhang einiger Figuren dieser Gruppe miteinander hingewiesen. In Italien finden sich die Stickereien der Kasein nur selten aus den im Norden gebräuchlichen sog. Kaselkreuzen, sondern meist auf einem senkrechten breiteren Stab, der „colonna". Bei den selteneren italienischen Kaselkreuzen wird auf den Querbalken häufig dargestellt: einander gegenüber der Engel und die Jungfrau der Verkündigungszene, so auch — und zwar in zwei Varianten — auf unseren besprochenen Stücken venezianischer Herkunft. Eine Ausnahme bildet die Vethésy-Kasel und eine andere im Museum für Kunstgewerbe: auf ersterer finden sich Magdalena und Stephanus Protomartyr, auf letzterer Petrus und Paulus auf den Kreuzarmen. Auf fünf anderen wieder ein Bischof und Hieronymus; dieser ist nicht als Büsser, sondern mit Kardinalshut als Gelehrter und Humanist dargestellt. 22 Der Bischof kann kein anderer als Augustinus sein. Nach der sog. Augustinusregeln lebte u. a. der Paulinerorden; die Lebensgeschichte des hl. Paulus Eremita von Theben hat der hl. Hieronymus geschrieben: so kommt einem hier unwillkürlich der Gedanke, ob wegen dieser, dem Orden so nahestehenden Heiligen, diese Kasein nicht ursprünglich Besitz eines Paulinerkonventes gewesen sind? Noch sind die Wanderwege, die unsere kirchlichen Gewänder des Mittelalters nach Mohács antreten mussten, heut zum 19